Brennende Schuld
auf den Höhleneingang zu, aber da kam er schon heraus. Unverletzt. ›Wo sind die anderen?‹, brüllte ich. Er zuckte die Schultern. Da war mir sofort klar, dass die fünf ums Leben gekommen waren. Trasilio war der Alleinverantwortliche vor Ort, er war der Projektleiter, und er hätte sich persönlich davon überzeugen müssen, dass sich niemand mehr in der Gefahrenzone befand, bevor er die Sprengung zündete. Er hatte das unterlassen und musste mit einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung rechnen. Natürlich musste ich der Presse eine Erklärung geben. Ich stellte den Fall so dar wie jetzt hier. Das führte dazu, dass es massive Anschuldigungen in den Medien gegen Trasilio Sanchez gab, sein bis dahin untadeliger Ruf als Wissenschaftler war zerstört, und statt Ansehen und Ehre wartete nun ein Gerichtsverfahren auf ihn. Dazu kam es dann nicht mehr, weil er sich das Leben nahm.«
Alle saßen schweigend da und dachten sicherlich wie Costa daran, dass Jaume Prats bereits kurz danach Trasilio Sanchez’ Frau heiratete. ›Sie haben nicht einmal das Trauerjahr vergehen lassen‹, hatte Josefa gesagt. Josefa wusste natürlich auch, dass Prats schon seit längerem hinter Trasilios Rücken ein Verhältnis mit Margarita Sanchez hatte. Natürlich hatte sie nicht behauptet, Jaume Prats habe das Unglück vorbereitet und eigentlich Trasilio und nicht die anderen fünf töten wollen, aber man konnte das durchaus so sehen. Trasilio war nach seiner eigenen Darstellung nämlich hineingegangen, um sich die poröse Gesteinsschicht selbst anzuschauen und um die Sprengladungen zu deaktivieren. Stimmte die Erklärung, die Trasilio abgegeben hatte, befand er sich in dem Vorderteil der Höhle, als die Sprengung ausgelöst wurde. Von Prats ausgelöst wie einige angenommen hatten, denn der war nicht in seinem Auto davongefahren, sondern wieder zur Zündanlage zurückgegangen, gerade als Trasilio in der Höhle war. Die fünf anderen hatten die Höhle bereits verlassen, waren jedoch wieder hineingegangen, weil Prats die Sprengung abgeblasen hatte. Zu dem Zeitpunkt musste Prats also der Meinung gewesen sein, dass die fünf draußen waren und nur Trasilio sich in der Höhle befand, um die Sprengladungen zu deaktivieren. In diesem Moment könnte Prats die Sprengung ausgelöst haben.
Prats holte tief Luft, so, als müsse er Anlauf nehmen. »Wie bereits gesagt, er war mein Freund. Doch damals habe ich erkannt, wie besessen er war. Dennoch habe ich meine Aussage damals vor der Staatsanwaltschaft so eingerichtet, dass keine Anklage gegen ihn erhoben worden wäre. Vielleicht war das ein Fehler, aber ich wollte Margarita und Laureana all dieses Entsetzliche ersparen. Dass er sich erhängen würde, konnte keiner voraussehen.«
»Wie haben Sie davon erfahren?«, fragte Elena.
»Margarita rief mich an, ich fuhr sofort hin, benachrichtigte Arzt und Polizei. Die arme Frau war in seinem Arbeitszimmer. Sie bewahrte das Kind davor, die Leiche zu sehen. Er war auf seinen Schreibtisch gestiegen, hatte ein Seil um den Leuchter verknotet und war gesprungen. Genickbruch. Ich habe ihn mit dem Doktor zusammen abgehängt. Ein erniedrigender Tod.«
Elena schien nicht so leicht zufrieden zu stellen zu sein. »Wenn ich Sie recht verstehe, war Trasilio Sanchez ein gefühlskalter Egomane, der für seine Pläne über Leichen ging.«
»Genau so ist es«, brüllte Prats und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Mit ihrer Skepsis einem honorigen Mann und Inselrat gegenüber hatte Elena mal wieder die Grenze überschritten. »Er hat niemanden geliebt, nur sich selbst. Was seine Frau, ich meine Margarita, betraf, werden Sie mir wohl glauben, dass ich weiß, wovon ich spreche. Und Laureana –« Er wurde wieder ruhig und nachdenklich. »Ich glaube, er sah in ihr eine Art Gefäß, das er mit sich selbst füllen wollte. Manche Menschen wollen auf diese Art Unsterblichkeit zelebrieren.«
Costa war vollkommen überrascht von Prats’ Gefühlsausbruch. Den hatte er ihm nicht zugetraut. Campaña offensichtlich auch nicht, das verriet die distanzierte Missbilligung, mit der er die Szene verfolgt hatte.
Sie alle waren so gefesselt von den Ausführungen, dass niemand auf den Stenografen achtete, der eifrig alles mitnotierte. Er saß lässig da, seine Augen unablässig auf den Erzähler gerichtet, während seine Hand gleichmäßig und schnell über den Block glitt, der wie nutzlos auf seinem Schoß lag.
»Zumindest was den Ablauf des Unglücks in Es Culleram damals
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