Brennende Schuld
Dabei lächelte sie unerwartet. Sein Pulsschlag ging schneller, und ihm fiel ein, dass er sich heute Morgen nicht rasiert hatte. Sie lächelten, ertappt wie zwei Verliebte, deren Blicke sich zufällig begegnen, und Pep fragte, ob Elena dasselbe nehme. Sie wollte sicherlich einen Kaffee, doch bevor sie es aussprechen konnte, brüllte der Fischer zur Bar hinein: »Bring drei Suissé, aber dalli!«, und raunte: »Kein Mensch spricht mehr Eivissenc. Die Kellner verstehen mich nicht, wenn ich unsere eigene Sprache spreche. Kommen alle aus Murcia.«
»Josefa hat gesagt, du kannst mir etwas über das Unglück von Es Culleram erzählen«, sagte Costa, als der Kellner die Getränke brachte.
»Es Culleram«, wiederholte der Alte in einem Tonfall, als würde er ›Teufel und Weihwasser‹ sagen, »das ist lange her. Sechs waren drin, aber nur einer kam raus: Trasilio Sanchez. Die anderen …«
Er kniff die Augen zusammen und verzog den Mund.
»Können Sie uns sagen, wie die umgekommen sind?«, fragte Elena mit ihrem skeptischen Unterton.
Pep Forn nickte bedächtig. »Damals war die Cala San Vincente noch eine ruhige Fischerbucht. All diese Häuser kamen erst später. Es war ein später Septembernachmittag. Der Sohn von Juanma Curreu holte seine Reusen mit den Langusten und Cigalas ein, die er am Abend im Restaurant verkaufen wollte, und ich reparierte ein Netz, das mir ein Zackenbarsch zerrissen hatte.«
Er umschloss Glas und Zigarette mit den Händen. Außen waren sie runzlig und dunkelbraun gebrannt, innen hell und hart. Wie eine Schuhsohle, hatte Costa als Kind immer gedacht. »Dann gab es einen Knall. Die Leute kamen aus den Häusern, alle liefen aufgeregt durcheinander. Aus der Höhle zog Rauch über die Berge, und wir rannten hin. Trasilio Sanchez stand vor dem Eingang. Er war mit Staub bedeckt und hatte Blut im Gesicht. Jemand schrie, wir sollen helfen, es sind noch Menschen in der Höhle.« Er holte einen Beutel mit ibizenkischem Tabak aus der Hosentasche. »Wir haben gegraben und gegraben. Wir, das heißt alle Einwohner von San Vincente. Später ist dann Hilfe aus der Stadt gekommen, Feuerwehr und Polizei. Sie hatten große Scheinwerfer dabei, denn mittlerweile war es schon dunkel.« Pep steckte sich die Selbstgedrehte in den Mund, ließ das Sturmfeuerzeug aufflammen, sog den Rauch tief ein und blickte ihm nach. »Drei haben wir noch in dieser Nacht gefunden, zwei waren verbrannt, einen hatte die Explosion zerrissen. Später fanden wir einen vierten: Er hatte sich brennend in einen Grundwassertümpel geflüchtet und lebte noch. Aber im Krankenhaus ist auch er gestorben. Die Verbrennungen waren zu stark. Der fünfte war noch verschüttet. Wir konnten hören, wie er schrie, aber wir kamen zu langsam voran. Die Felsblöcke waren so groß wie ein Zimmer. Als wir ihn nach zwei Tagen herausholten, war er tot. Erstickt.«
Pep hob seine Hände und betrachtete sie. »Die Fingerkuppen waren bis auf die Knochen abgeschabt, weil er versucht hatte, sich einen Weg zu graben.«
Er warf ihr einen Blick zu, aber sie schien die Ähnlichkeiten der Verbrechen nicht zu sehen. Manche Menschen sehen etwas nicht, aber es liegt dicht unter der Oberfläche ihres Bewusstseins. Er hoffte, es würde bei ihr so sein, denn es gab jetzt keine Chance, ihr den Zusammenhang logisch zu erklären.
Elena stellte Pep noch verschiedene Fragen, und ihm fiel eine seltsame Sache ein. Als sie die Verunglückten beerdigten, fehlte bei dem Letzten, bei dem Verschütteten eine Hand. Elena wollte wissen, welche und ob es eine Erklärung dafür gab. Pep schüttelte nachdenklich den Kopf, sagte aber nach einer Weile: »Die Schwurhand.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, aber sie fragte gleich weiter. Mehr konnte ihnen der Fischer jedoch nicht sagen. Er wusste nicht, ob es ein Unglück gewesen war oder ein Verbrechen. Er hatte keine Meinung zu den Gerüchten, ob es der krankhafte Ehrgeiz des Professors gewesen war, der den fünf Helfern das Leben gekostet hatte, oder die Gier des Politikers, der die Frau seines Freundes für sich wollte. Pep sprach nur immer wieder von den Leiden der Opfer.
Es war Costas Job, die Wahrheit in der Vergangenheit zu finden, ihre Spuren zu entdecken und sie richtig zu deuten. Er war fasziniert von dem, was er jetzt entdeckt hatte. Noch bevor sie das Auto erreichten, hatte er Elena die Ähnlichkeit der beiden Fälle eindringlich beschrieben. Sie schwieg. Schließlich sagte sie: »Was bringt uns das? Unser Problem liegt auf
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