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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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in einem Kuhkostüm mit Eutern, jodelnd und Alpenglocken schwingend.
    Costa winkte zurück und wunderte sich, an was für einen Unsinn er seine Gedanken verschwendete, wo er doch so unglücklich war. Es erschien ihm plötzlich angebracht, seinen Schmerz in angenehmer Umgebung zu ertränken – im Sa Calima. In den letzten zwei Wochen hatte er seine Stammkneipe gemieden, denn er arbeitete zu sehr am Rand seiner körperlichen Leistungsfähigkeit. Im besten Fall mal ein Glas Wein, ansonsten versuchte er, so viel Schlaf wie möglich zu kriegen. Manchmal zweifelte er sogar, ob Träume erholsam wären.
    Es war noch früh am Abend. Am Tisch neben der Eingangstür spielten vier alte Männer Karten. Er blieb stehen und lächelte ihnen zu. › Fi de putes ‹ – Hurensöhne – war das ibizenkische Kartenspiel, bei dem die meisten Höfe auf der Insel ihren Besitzer gewechselt hatten. Er begrüßte Bartolo, einen Freund seines Vaters, mit einem Kopfnicken. »Ein fürchterliches Feuer«, sagte der Alte und meinte den Inselbrand. Costa nickte freundlich, legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und ging an die Theke.
    Pep, der Wirt, entkorkte eine Flasche Rotwein, goss ihm ein Glas ein und stellte die Flasche auf die Theke.
    »Wer gewinnt?«, fragte Costa.
    »Gewinnt und verliert. Sie spielen schon seit Mittag. Und wie läuft’s bei dir?«
    Costa zuckte die Schultern, trank das Glas leer und schenkte sich ein neues ein.
    »Verstehe.« Pep ging zum CD-Player und wechselte die Musik.
    Omara Portuondos Stimme füllte den Raum.
    » Con que tristeza miramos un amor que se nos va Es un pedazo del alma que se arranca sin piedad … «
    Costa seufzte und schaute Pep zu, wie er Gläser polierte.
    » Mas trifasicos « , rief Bartolo, und Pep brachte Milchkaffees mit Brandy an den Tisch.
    Pep hatte immer die gleichen Sachen an: ein Hemd und eine Schürze, die über seiner blauen, viel zu engen Hose hing. Alles war von undefinierbarer Farbe, weil er stets seine ganze Wäsche in eine einzige Trommel packte. Die Alten waren die einzigen Gäste, aber bevor er ihnen ihren Brandykaffee brachte, band er sich jedes Mal die Schürze ab, ein Ritual, mit dem er sich selbst versicherte, dass das Sa Calima nicht eine der üblichen Spelunken war.
    Ab und zu nahm Costa einen Schluck Wein und ermahnte sich jedes Mal, nicht an Karin zu denken, was ihm bei der zweiten Flasche auch gelang.
    Die Dekoration hatte Pep seit Eröffnung nie geändert: Neben den Trophäen der lokalen Fußballmannschaften und vergilbten Fotografien längst vergangener Nächte zierten Bilder berühmter Flamencomusiker Regale und Wände: Paco de Lucia, ein musikalisches Genie wie Mozart, der die starren Gerüste des Genres zerbrach und eine Revolution in Gang gesetzt hatte; El Camarón de la Isla, José Monje Cruz, der König des cante jondo, der mit acht Jahren schon besser war als alle anderen und mit einundvierzig starb, nachdem er sich sein Gehirn mit einer Dosis Kokain aus der Nase gezogen hatte, die auch einen Ochsen umgebracht hätte. Karin nannte ihn den Mick Jagger der spanischen Volksmusik, als sie – Nein! Er musste aufhören damit.
    Pep erzählte ihm von der Absicht der Politiker, die alte Stierkampfarena abzureißen und auf dem Grundstück ein Einkaufscenter zu bauen, aber Costa hatte keine Lust, sich zu unterhalten. Er wollte der Musik lauschen, diesen süßlichen Harmonien, die den Schmerz der Einsamen auf staubigen Landstraßen in dunklen Mollakkorden malten, und von Männern, die ihre Liebste nie mehr wiedersehen würden. Der männliche Teil der Costa-Familie neigt seit jeher zur Schwermütigkeit, hörte er Josefas Stimme.
    » Si tu me dices, ven « , sang Costa und erhob sich von seinem Hocker. Die Alten ließen ihre Karten sinken und schauten ihm zu. Er drehte sich und schaffte es, dass die Hocker in seiner Nähe nicht zu Boden fielen. Geraden Schrittes ging er zu Bartolo, legte ihm die Hand auf die Schulter und fischte einen schwarzen Zigarillo aus dessen Hemdtasche. » Permiso « , murmelte er und nahm sich ein Feuerzeug vom Tisch. Der Alte nickte, ohne von seinem Blatt aufzusehen.
    »Eine Runde für alle!« Das urtümliche Eivissenc der Bauern von Santa Eulalia ging ihm plötzlich wie von selbst über die Lippen. Er hörte Pep lachen. Er drehte sich schwerfällig zu ihm um und sah, dass Pep die Gläser bereits gefüllt und auf ein Tablett gestellt hatte. »Und alle als eine Runde für mich«, benutzte er die höhnische Verkehrung der Trinker. Er setzte sich

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