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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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alleine an einen Tisch, wo Pep ihm diese zweite Runde Absinth auf einem Tablett brachte.
    Er nahm die Gläser vom Tablett und baute sie in militärischer Formation vor sich auf. Mit dem Zigarillo in der Hand tippte er dann auf das erste Glas, murmelte etwas wie »Hab Acht« und kippte es herunter. Bei jedem neuen Gedanken kippte er wieder einen Schnaps.
    Wie in Zeitlupe sickerten die Fakten in seinen Schädel, rieselten durch die Hohlräume, die er mit Absinth füllte, und sammelten sich in einer Lache auf dem Grund seines Denkens.
    Er betrachtete eines der Bilder an der Wand. Camaróns Haar war pechschwarz und bis zur Mitte des Hinterkopfes völlig glatt, um sich dann in unendlich krausen Löckchen zu verlieren, die ihm bis auf die Schultern fielen. Seine Kleidung war die eines Zigeuners aus den siebziger Jahren: ein Hemd mit Rüschen, eine schwarze Samthose mit Schlag, von einem breiten Gürtel mit Silberschnalle gehalten, weiße Stiefel mit hohen Absätzen, eine Kette mit einem Kreuz um den Hals und zwei Ringe an jeder Hand. Camarón erinnerte ihn an Cayetano Herrera, der ihm bei ihrer ersten Begegnung wegen seiner unzeitgemäßen Kleidung und Frisur aufgefallen war.
    Pep bemerkte seinen Blick. »Guter Musiker«, rief er ihm zu.
    Costa fuhr sich nachdenklich mit dem rechten Daumen über die Augenbrauen, erhob sich und wankte zur Theke, wo Pep ihm einen weiteren Absinth eingoss. Costas Blick war immer noch auf Camaróns Gestalt geheftet. »Er erinnert mich an den Geisteskranken, der den Brand gelegt hat. Diesen Cayetano Herrera. Vielleicht ist er verrückt geworden, weil er nach einer Frau verrückt war. Hörst du, was Ornara singt? Mit Wehmut trauern wir einer Liebe nach, die gegangen ist. Hörst du? Es ist ein Stück Seele, das herausgerissen wurde ohne Erbarmen. Na bitte.«
    Pep lachte und goss Costa noch ein Glas ein. »Wir sind nicht alle wegen der Frauen verrückt. Herrera hatte von Anfang an einen Sockenschuss.«
    »Du kennst ihn?«
    »Wir waren zusammen auf der Volksschule«, sagte Pep und hielt prüfend ein Glas gegen das Licht.
    »In derselben Klasse?«
    »Eine Weile.« Er goss sich selbst auch ein Glas ein und warf die leere Flasche in eine Kiste. »Ich habe ihn dreißig Jahre lang nicht vergessen, und als ich sein Bild vorgestern in der Zeitung gesehen habe in diesem Artikel ›Brandstifter verbrannt‹, habe ich noch gedacht, das wundert mich nicht. Cayetano hat schon als Kind einen Ziegenstall angezündet, da war er neun Jahre alt. Wir sind alle hingerannt, als sie das Feuer löschten. Hombre, wie das gestunken hat, das verbrannte Fleisch und die Ziegenpisse. Aber er musste es machen. Hat er behauptet. Wegen eines geheimen Befehls. So was nenn’ ich echt verrückt. Seine Mutter musste die Ziegen bezahlen.« Pep brachte den Spielern ein Tablett mit Schnäpsen. Als er zurückkam, stand noch eines auf dem runden Tablett. Er hielt es Costa hin, der es nahm und trank.
    »Aber vielleicht hast du Recht, und die Frauen sind doch an allem schuld. Cayetano war immer hinter einem Mädchen her. Es war eine kleine Dürre mit langen Zöpfen. Wenn sie die aufmachte, gingen ihr die Haare bis zum Oberschenkel. Eigentlich passte die ganz gut zu ihm. Keiner wollte sie. Sie sprach mit keinem. Sie hatte immer so hässliche geschnitzte Figuren dabei. Gut möglich, dass er den Stall angezündet hat, weil sie es ihm befohlen hat.« Er lachte. »Ich meine, wenn es ihm überhaupt jemand befohlen hat, dann muss sie es gewesen sein.«
    »Passt zu ihm. Er hat schon mal einen Brand im Auftrag gelegt. Wahrscheinlich ist er dafür bezahlt worden. Von einem sauberen Herrn namens Prats.«
    »Die Kleine mit den Zöpfen hieß auch Prats.«
    Costa ging darauf nicht weiter ein, denn viele auf der Insel hießen Prats oder Tur oder Planells. Oder auch Costa. Er grinste und nickte Pep zu, der Tur hieß.
    Pep nickte auch und sagte: »Davor hieß sie Sanchez. Aber ihre Mutter heiratete einen Prats. Ihr erster Mann hat sich, glaube ich, aufgehängt.«
    »Laureana Sanchez.« Costa stützte sich auf die Bar. »Sie hatte wunderbare Zöpfe. Schwarz und lang. Gib mir einen Absinth.«
    Sein Privatleben und seinen Beruf unter einen Hut bringen, das hatte er gewollt. Und so war es! Er trank und dachte über seinen Fall nach. Was wollte er mehr? Er brauchte nicht wie Zwirbelbart Santander, sein Chef, im Büro zu sitzen, er konnte hier arbeiten. Sie sollten ihm nur die Überstunden bezahlen, dann war alles bestens. Er kippte den grünen Likör in einem

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