Brennende Sehnsucht
dass es herauskäme«, flüsterte sie. »Dass öffentlich bekannt wäre, dass ich tatsächlich ruiniert bin, und ich keinen Tag länger mit einer Maske leben müsste.«
Sophie legte ihr eine Hand auf die Schulter. Phoebe zuckte zusammen, denn sie hatte fast vergessen, dass Sophie noch da war.
»Phoebe, ich habe keine Ahnung, worüber du da sprichst, und vielleicht solltest du es mir auch nicht erzählen. Wenn du wirklich einen Skandal verhindern willst, dann wäre es angebracht, Lord Marbrook aus dem Weg zu gehen, bis die Hochzeit stattgefunden hat, und möglichst noch ein bisschen danach.«
Phoebe setzte sich auf und rieb sich die Wangen. »Ihm aus dem Weg gehen. Ja. Genau das will ich tun. Es wird mir leichtfallen.«
Das hoffte sie von ganzem Herzen.
Achtundzwanzigstes Kapitel
A ls Rafe nach Brook House zurückkehrte, war es zu spät, als dass er irgendjemandem begegnete außer dem gähnenden Stallburschen, der die Zügel seines erschöpften Pferdes entgegennahm, er freute sich auf die dunkle und stille Leere der Flure und Zimmer. Sein eigener Kammerdiener war schon längst zu Bett gegangen, denn er wusste, dass Rafe wahrscheinlich gar nicht nach Hause kam, wenn er zu einer bestimmten Zeit noch nicht da war.
In seinem Zimmer warf er seine Jacke und seine Weste von sich, zerrte sich das Halstuch vom Hals und feuerte den Stoff auf den Haufen. Er setzte sich in einen Lehnstuhl vor dem Kamin und zog sich die Stiefel aus, warf das feine Leder mit so geringer Sorgfalt beiseite, als wären es zerschlissene Lumpen. Was machte das schon? Auch feine Sachen waren nichts als Sachen. Sie würden sein Leben ohne Phoebe nicht erträglicher machen.
Er war lange ausgeblieben, um ihr aus dem Weg zu gehen, denn wie sollte er ihr nach jener erbärmlichen Szene vor dem Konzertsaal unter die Augen treten! Aber er konnte ihrer Anwesenheit nicht entgehen. Sie war einfach überall in diesem verdammten Haus! Ihr Duft schwebte durch die Flure, ihr Name lag auf den Lippen aller, ihre verfluchten Cousinen mit einer helleren und einer dunkleren Version ihrer blauen Augen.
Obwohl Rafes Körper schmerzte, knurrte sein Magen protestierend. Also auf in die Küche, um wenigstens den körperlichen Hunger zu stillen.
Mit bloßen Füßen tapste er auf dem kalten Boden lautlos durch das Haus, auf der Suche nach etwas Substanziellerem als liebeskranker Verzweiflung, um seinen Magen zu füllen.
Er war in diesem Haus groß geworden, hatte mindestens die Hälfte eines jeden Jahres hier verbracht, sodass er keine Kerze brauchte. Die Dunkelheit war ihm ein alter Freund. Die meisten seiner schönsten Momente – oder seiner schlimmsten, je nach moralischer Sicht – hatte er im Dunkeln verbracht.
Der Küchentrakt lag im Keller, wie in den meisten großen Stadthäusern. Es gab einen großen Anrichteraum, den Schneideraum mit seiner leicht beängstigenden Menge an Messern und Beilen, die große Küche, wo die Herde standen, die Spülküche mit ihren tiefen steinernen Spülbecken und Rafes persönlichen Liebling – die Vorratskammer.
Es war ein langer, schmaler Raum mit marmornen Regalfächern zu beiden Seiten für die Dinge, die kühl gelagert werden mussten, und einem kalten Steinboden, der seine bloßen Füße brennen ließ. Da er Lust auf etwas Herzhaftes hatte, fiel es ihm nicht schwer, den großen Arbeitstisch in der Mitte des Raumes zu umgehen, er beugte sich vor und tastete auf dem untersten Regalfach nach einem Schinken oder Braten.
Er fand Fleischpasteten, wahrscheinlich waren sie für die Dienstboten gedacht, denn der anspruchsvolle Hausherr würde ob einer solch gewöhnlichen Speise wohl die Mundwinkel verziehen – auch wenn Rafe noch keiner Fleischpastete begegnet war, die er nicht gemocht hätte. Obwohl die saftige Kartoffel-Fleisch-Füllung ihn lockte, suchte er weiter, tastete sich vorsichtig voran. Er war wirklich eher in der Stimmung für große, saftige Scheiben.
Schenkel. Glatt... rundlich... warm... weich...
»Iih.« Es war ein leiser Protest, kaum lauter als ein Flüstern.
»Ah!« Mit einem Ruck zog er die Hand zurück und richtete sich auf und stieß mit voller Wucht mit dem Hinterkopf an das Marmorregal über ihm. »Au!« Er taumelte zurück und hielt sich mit einer Hand den Schädel.
»Oh!«
Etwas auf dem Regal bewegte sich, er hörte das Rascheln von Stoff und ein metallisches Klappern, dann stach ihm ein Lichtstrahl in die erweiterten Pupillen.
»Verdammt noch mal!« Er schlug sich die andere Hand vor die Augen.
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