Brennende Sehnsucht
»Liebt er dich auch?«
Phoebe spürte, wie sie rot wurde. Liebt er dich auch?
Sie ließ sich aufs Bett fallen und verschränkte die Arme. Das Zittern in ihrem Bauch beruhte nur zur Hälfte auf unerfüllter Begierde. Ein großer Teil stammte aus einem dunkleren Ort der Angst. War es seinerseits nur Begehren? War er der Lebemann, für den alle Welt ihn hielt? War sie ein Dummchen?
Wieder mal?
»Ich glaube, dass er mich begehrt«, sagte sie gepresst. »Aber er hat nicht von Liebe gesprochen.« Sie konnte ihr Vertrauen nicht auf etwas setzen, was vielleicht nur hitzigem Temperament geschuldet war. Der Vikar hatte sie oft gewarnt, dass solche Impulse nicht echt waren. Es gab kein heißes Blut, und vernünftige Mädchen wollten damit nichts zu tun haben.
Sophie setzte sich ihr gegenüber. »Ich verstehe.« Sie schaute Phoebe lange an. »Cousine, bist du dir sicher? Du bist eine sehr vorteilhafte Verbindung mit seinem Bruder
eingegangen. Du würdest sehr viel aufgeben, wenn du die Verlobung auflösen und stattdessen Marbrook nehmen würdest. Allein der Skandal würde...«
Phoebe zog den Kopf ein. »Oh Himmel, ich will gar nicht daran denken.« Der Vikar würde kein Wort mehr mit ihr reden. Der Blick, den er dann in seinen Augen hätte... Sie fühlte, wie die Asche vergangenen Schmerzes sich mit neuer Hitze zusammenzog und schwarz wurde. Das Zittern in ihrem Magen wurde zu einem Beben. Sie schaute hilflos zu Sophie auf.
Glücklicherweise schien sich Sophie mit Hilflosigkeit gut auszukennen. Sie stand auf, ging zu einer Kommode und entnahm ihr eine Karaffe mit Brandy. »Den habe ich in der Bibliothek gefunden. Eigentlich habe ich ihn dem Vikar weggenommen. Weißt du, er liest gar nicht die ganze Zeit.« Sie goss eine große Portion in ein Glas. Als sie zu Phoebe zurückkehrte, drückte sie ihr das Glas in die zitternden Hände.
Phoebe nahm einen Schluck und schloss die Augen vor dem medizinischen Geruch des Weinbrandes. Er brannte in ihrer Kehle, aber schon bald fühlte sie, wie die Verspannung in ihren Schultern nachließ. »Das war ekelhaft«, sagte sie und stieß ein leises, hilfloses Lachen aus.
»Gut.« Sophie nahm ihr das Glas ab. »Dann wirst du es dir wahrscheinlich nicht zur Gewohnheit machen.«
Der Alkohol befreite sie von einem Teil ihrer Panik, aber er half nicht gegen den Grund dafür – oder vielmehr die Gründe. Beide großen, breitschultrigen Gründe beugten sich weiterhin bedrohlich über Phoebe und stahlen die Luft aus jedem Raum, den sie betrat.
»Lady Lilah Christie.«
»Wer?«
»So heißt sie. Ich habe danach gefragt, später. Sie ist oder
war vielmehr Marbrooks Geliebte.« Sie schniefte. »Lilah. Das passt zu ihr. So geschmeidig elegant und katzenhaft rätselhaft, wie sie wirkt. Wenn ich nur daran denke, wie Marbrooks Hände über ihr silbernes Kleid strichen.«
»Oje«, seufzte Sophie. »Du hattest einen schlimmen Abend.«
Phoebe schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich bin nicht eifersüchtig – nicht wirklich. Ich wusste sofort, dass Marbrook nur versuchte, mir etwas zu beweisen.«
Der Brandy führte dazu, dass ihr leicht schwummerig wurde. »Aber in diesem Augenblick im Flur, als ich eine andere Frau in Marbrooks Armen sah, da wurde mir klar, dass ich dort nie wäre.«
»Weil du Lord Brookhaven heiraten wirst«, erinnerte Sophie sie sanft.
Phoebe winkte ab. »Ja, aber irgendwann würde jemand in seinen Armen sein. Ich werde Brookhaven heiraten und den Traum des Vikars wahr werden lassen, und Marbrook wird ohne mich weiterleben, wird eine Geliebte nach der anderen haben und vielleicht eines Tages auch eine Frau...«
Ihr Gesicht verzog sich, als wollte sie weinen. »Und nie werde ich es sein!« Sie griff nach dem Volant der Tagesdecke und putzte sich geräuschvoll die Nase.
»Heulsuse.« Sophie bedachte sie mit einem traurigen Lächeln. »Du kriegst keinen Brandy mehr.«
Phoebe ließ sich rücklings auf Bett fallen und starrte die stuckverzierte Decke an.
»Sei vorsichtig, Phoebe. Du hast Lord Brookhaven dein Wort gegeben. Der Skandal wäre furchtbar.«
Phoebe schlug die Hände vors Gesicht. »Ich weiß. Ich kann nicht, will nicht noch einmal stürzen. Ich will das nicht noch einmal mitmachen – den Schmerz, die Vorwürfe, die ständige Zurückhaltung, damit bloß nichts herauskommt!
Mich immerzu fragend: Wissen sie es? Tuscheln sie über mich? Ist es endlich so weit? Bin ich ruiniert?«
Sie rollte sich auf den Bauch. »Am schlimmsten ist die heimliche, beschämende Hoffnung,
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