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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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versorgen. Meine Frau braucht mich, ich muss mich um sie kümmern. Du hingegen – du brauchst mich nicht mehr. Und zwar weil ich ein Finanzberater bin! Du schaffst hier eine Lage, in der ich keine Funktion mehr habe. Keine Rolle. Keinen Job. Es gibt hier nichts für mich zu tun.«
    »Weißt du was? Der Gedanke ist mir bis jetzt noch nicht gekommen. Aber warte mal; es muss eine Art von Einkommenstransfer geben. Es ist noch ein wenig Geld da, wir brauchen Gerät und dergleichen…«
    »Du errichtest hier ein seltsames, fremdartiges kleines Regime. Mit Marktwirtschaft hat das nichts zu tun. Das ist eine Kultgesellschaft. Sie gründet darauf, dass Menschen einander tief in die Augen sehen und sich auf den Rücken klopfen. Theoretisch ist das interessant, aber wenn es irgendwann scheitert und auseinanderbricht, dann entstehen Lager und es kommt zu Säuberungen wie zur Zeit der Kommunisten. Wenn du dazu entschlossen bist, Oscar, kann ich dir nicht helfen. Dann kann dir niemand mehr helfen. Ich will nicht bei dir sein, wenn das Kartenhaus zusammenfällt. Weil du dann ins Gefängnis wandern wirst. Bestenfalls.«
    Oscar lächelte schwach. »Dann glaubst du also nicht, dass ich auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren könnte?«
    »Ich scherze nicht. Was ist mit deinem Team, Oscar? Was ist mit uns? Du bist wirklich ein begnadeter Wahlkampfmanager. Aber das hier ist kein Wahlkampf. Es ist nicht mal mehr ein Streik oder ein Protest. Das ist ein Staatsstreich im Kleinen. Du bist der Militärguru eines abtrünnigen Lagers. Selbst wenn die Leute vom Team bereit sein sollten, bei dir zu bleiben, wie kannst du es verantworten, sie einem solchen Risiko auszusetzen? Du hast sie nie gefragt, Oscar. Sie haben nie die Wahl gehabt.«
    Oscar richtete sich auf. »Yosh, du hast recht. Die Analyse ist vernünftig. Ich kann das meinen Leute nicht antun; das ist unmoralisch, schlecht. Ich muss ihnen die Lage in aller Deutlichkeit schildern. Sollten sie mich verlassen, muss ich mich damit eben abfinden.«
    »Das Gouverneurbüro in Boston hat mir einen Job angeboten«, sagte Pelicanos.
    »Der Gouverneur? Ach, geh! Das ist doch ein abgehalfterter Schaumschläger von der Vorwärts-Amerika-Partei.«
    »Vorwärts-Amerika ist eine Reformpartei. Der Gouverneur organisiert eine Antikriegskoalition, und er hat mich gebeten, das Amt des Schatzmeisters zu übernehmen.«
    »Im Ernst? Schatzmeister, hm? Das wäre ein ziemlich guter Posten.«
    »Der Pazifismus hat in Massachusetts Tradition. Und zwar quer durch alle Parteien und Blöcke. Außerdem muss das jemand tun. Der Präsident meint es wirklich ernst. Er blufft nicht. Er will den Krieg. Er schickt Kanonenboote über den Atlantik. Er schikaniert dieses kleine Land, bloß um seine Stellung zu Hause zu festigen.«
    »Glaubst du das wirklich, Yosh? Ist das wirklich deine Meinung?«
    »Oscar, du hast keinen Durchblick mehr. Du bist Nacht für Nacht hier und plagst dich mit den winzigen Unterschieden zwischen Nomadenstämmen ab. Du willst hier in dieser kleinen Glaskugel den Drahtzieher spielen. Aber du verlierst die Landeswirklichkeit aus dem Blick. Ja, Präsident Two Feathers ist auf dem Kriegspfad! Er verlangt eine Kriegserklärung vom Kongress! Er will das Kriegsrecht ausrufen! Er fordert ein Kriegsbudget, über das er allein verfügen kann. Er will, dass die Notstandsausschüsse übergangen und über Nacht abgeschafft werden. Er ist ein virtueller Diktator.«
    Oscar kam der verrückte Gedanke, dass der Verlust der Niederlande ein kleiner Preis wäre, wenn es dem Präsidenten gelänge, auch nur die Hälfte dieser lobenswerten Ziele zu verwirklichen. Allerdings verkniff er sich die Entgegnung. »Yosh, ich arbeite für den Präsidenten. Er ist mein Boss, er bestimmt, wo’s lang geht. Wenn das deine Überzeugung ist, dann ist unsere Situation als Kollegen wirklich unhaltbar.«
    Pelicanos schaute bekümmert drein. »Tja, deswegen bin ich gekommen.«
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Du bist mein bester und ältester Freund, mein engster Vertrauter. Aber persönliche Gefühle müssen zurückstehen, wenn es um so grundlegende politische Differenzen geht. Wenn es so ist, wie du sagst, dann trennen sich unsere Wege. Du solltest nach Boston zurückkehren und den Posten des Schatzmeisters übernehmen.«
    »Ich tu’s nicht gern, Oscar. Ich weiß, du brauchst mich. Jemand muss sich um dein Privatvermögen kümmern; du solltest deine Anlagen im Auge behalten. Vor uns liegen schwere

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