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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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eine noch bedrohlichere Persönlichkeit als der Gouverneur von Louisiana. Der Präsident regiert die USA, ein verwundetes, mit sich selbst beschäftigtes Land – eine kleine Welt inmitten einer größeren Welt voller Menschen, die die Geduld mit uns verloren haben. Sie bezahlen Amerika nicht mehr dafür, dass es behauptet, es sei ihre Zukunft. Und jenseits dieser Welt… nun, ich nehme an, da beginnt Gretas Welt. Ein rationaler Kosmos, wie Einstein und Newton ihn beschrieben haben. Der Kosmos der objektiven, nachprüfbaren Fakten. Und jenseits des wissenschaftlichen Begreifens… dort liegen die dunklen Phänomene. Die Metaphysik. Wille und Vorstellung. Vielleicht die Geschichte.«
    »Glauben Sie diesen Quatsch wirklich?«
    »Nein, ich glaube es nicht so, wie ich glaube, dass zwei plus zwei vier ergibt. Aber es ist machbar, das ist mein Motto. Was können Politiker überhaupt ›wissen‹? Geschichte ist kein Labor. Man tritt nicht zweimal in dieselbe Pfütze. Manche Leute aber verfügen über ein erhebliches Maß an politischer Einsicht, andere nicht.«
    Burningboy nickte bedächtig. »Sie betrachten uns von weit, weit außerhalb, nicht wahr, Oscar?«
    »Also, ich bin kein Nomade – zumindest bis jetzt noch nicht. Und bin auch kein Wissenschaftler. Ich bin mir meiner Unwissenheit bewusst, will mich dadurch aber nicht einschüchtern lassen – ich besitze Macht, ich muss handeln. Wissen ist bloß Wissen. Aber die Kontrolle des Wissens – das ist Politik.«
    »Das war nicht das ›Außenseitertum‹, das ich im Sinn hatte.«
    »Oh.« Plötzlich begriff Oscar, worauf Burningboy hinaus wollte. »Sie meinen meinen persönlichen Background.«
    »Ja.«
    »Sie meinen, ich wäre im Vorteil, weil ich außerhalb der menschlichen Rasse stehe.«
    Burningboy nickte. »Das ist mir halt so aufgefallen. War es schon immer so für Sie?«
    »Ja. Kann man so sagen.«
    »Sind Sie die Zukunft, Mann?«
    »Nein. Darauf würde ich mich nicht verlassen. Mir fehlen zu viele Einzelteile.«
    Als es zu einem größeren Sexskandal kam, wusste Oscar, dass sich die Lage stabilisiert hatte. Eine junge Soldatin beschuldigte einen Wissenschaftler mittleren Alters, sie belästigt zu haben. Dieser Vorfall rief große Empörung hervor.
    Oscar begrüßte die Entwicklung. Sie bedeutete, dass der Konflikt zwischen den beiden Populationen des Labors zu einer symbolischen, psychosexuellen, unpolitischen Ebene vorgedrungen war. In der Öffentlichkeit stritt man nun um tief verwurzelte Vorurteile und psychische Defizite, für die es keine Abhilfe gab und die daher im Grunde irrelevant waren. Das ganze Aufhebens aber war ausgesprochen nützlich, denn es hatte zur Folge, dass sich an allen anderen Fronten nun im Stillen enorme Fortschritte erzielen ließen. Das öffentliche Psychodrama band die Aufmerksamkeit, während die eigentlichen Probleme des Laboratoriums in den Hintergrund traten. Die eigentlichen Probleme lagen in den Händen der Leute, die sie ernst genug nahmen, um konstruktiv damit umzugehen.
    Oscar nutzte die Gelegenheit, um sich mit einem Moderatorenlaptop vertraut zu machen. Man hatte ihm ein Gerät geschenkt, was er ganz richtig als große Ehre auffasste. Der Laptop hatte ein flexibles grünes Gehäuse aus plastifiziertem Stroh. Er wog etwa so viel wie eine Tüte Popcorn. Und statt der altehrwürdigen QWERTYUIOP-Anordnung wiesen die eleganten, empfindlichen Tasten der ersten Reihe seltsamerweise die Reihenfolge DHIATENSOR auf.
    Oscar hatte schon des Öfteren gehört, dass die alte QWERTYUIOP-Tastatur niemals ersetzt werden würde. Offenbar war dies auf das Phänomen zurückzuführen, das als ›technische Sackgasse‹ bezeichnet wurde. QWERTYUIOP war eine äußerst ungünstige Tastenanordnung – ursprünglich hatte sie dazu gedient, Schreibkräfte bei ihrer Arbeit zu behindern –, und das Erlernen hatte so große Mühe erfordert, dass die Menschen sie niemals aufgeben würden. Es war das Gleiche wie mit der englischen Schreibweise oder den amerikanischen Standardmaßen oder dem absurden Toilettendesign; es war schlecht, aber eine soziale Tatsache. Die universelle Verbreitung von QWERTYUIOP verhinderte, dass sich Alternativen durchsetzten.
    Zumindest hatte er das bislang geglaubt. Doch da stand eine solche Alternative vor ihm auf dem Tisch: DHIATENSOR. Die Anordnung war vernünftig. Sie war effizient. Sie funktionierte viel besser als QWERTYUIOP.
    Pelicanos betrat das Hotelzimmer. »Noch immer auf?«
    »Klar.«
    »Woran arbeitest du

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