Brennendes Land
Marktturbulenzen.«
»Marktturbulenzen gibt es ständig. Damit komme ich klar. Ich bedaure es, dich zu verlieren. Du hast mich den ganzen Weg über begleitet.«
»Bis hierher und nicht weiter, Mann.«
»Sollte man mich in Boston verurteilen, könntest du vielleicht bei deinem Freund, dem Gouverneur, ein gutes Wort von wegen Gnadenerlass einlegen.«
»Ich schicke dir eine Mail«, sagte Yosh. Er rieb sich die Augen. »Ich muss jetzt meinen Schreibtisch ausräumen.«
Pelicanos’ Weggang hatte Oscar tief getroffen. In Anbetracht der Umstände gab es keine andere Lösung. Das war traurig, aber nicht zu ändern, genau wie sein Abfall von Bambakias, als er in den Nationalen Sicherheitsrat übergewechselt war. Manche Themen verlangten eben nach klaren Entscheidungen. Ein kluger Mann konnte auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen, aber sieben oder acht waren einfach zu viel.
Es war einige Zeit her, seit Oscar zum letzten Mal mit Bambakias gesprochen hatte. Allerdings hatte er die Netzberichterstattung verfolgt. Der verrückte Senator war so beliebt wie nie zuvor. Er hatte sein ursprüngliches Gewicht vollständig zurückerlangt; vielleicht wog er mittlerweile sogar etwas mehr. Seine Mitarbeiter präsentierten ihn der Öffentlichkeit im Rollstuhl; sie schoben ihn sogar bis in den Senat. Das Feuer aber war erloschen. Sein Leben war zerbrochen und wurde von Telepromptern beherrscht.
Mit dem neu installierten Satellitentelefon des NSR arrangierte Oscar eine Videokonferenz mit Washington. Bambakias hatte eine neue Sekretärin, die Oscar noch nie gesehen hatte. Er schaffte es, einen halbstündigen Termin zu vereinbaren.
Als er endlich durchkam, blickte ihm Lorena Bambakias vom Bildschirm entgegen.
Lorena sah gut aus. Sie konnte einfach nicht anders, als gut auszusehen. Allerdings wirkte sie auf dem Bildschirm ein wenig spröde und steif. Lorena hatte gelitten.
Ihr Anblick versetzte ihm einen Stich. Es überraschte ihn, wie sehr er sie vermisst hatte. Er war immer auf Zehenspitzen um Lorena herumgeschlichen, sich der von ihr ausgehenden weiblichen Bedrohung in höchstem Maße bewusst; allerdings hatte er ganz vergessen gehabt, wie viel sie ihm bedeutete, wie sehr sie das Leben repräsentierte, das er aufgegeben hatte. Die gute alte Lorena – reich, gebildet, amoralisch und kultiviert –, eigentlich genau sein Typ; eine Vertreterin der Oberschicht, das klassische Luxusweibchen, eine Frau, die wirklich gut beieinander war. Lorena so zu sehen – ausgehöhlt von Schmerz –, ging ihm an die Nieren. Sie ähnelte einer wundervollen Schere, mit der man Stacheldraht durchtrennt hatte.
»Es ist schön, dass Sie anrufen, Oscar«, sagte Lorena. »In letzter Zeit machen Sie sich rar.«
»Es ist nett, dass Sie das sagen. Wie läuft es bei Ihnen? Sagen Sie mir die Wahrheit.«
»Ach, wir hangeln uns von einem Tag zum anderen durch. Die Ärzte meinen, er mache große Fortschritte.«
»Wirklich?«
»Ja, es ist schon erstaunlich, was man im amerikanischen Gesundheitssystem mit ein paar Millionen Dollar ausrichten kann. Er ist guter Dinge.«
»Tatsächlich.«
»Er ist wirklich guter Dinge. Sein Zustand ist stabil. Die meiste Zeit über ist er sogar bei klarem Verstand.«
»Lorena, habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, wie unendlich Leid mir das alles tut?«
Sie lächelte. »Der gute alte Oscar. Wissen Sie, ich habe mich dran gewöhnt. Ich komme damit klar. Ich hätte nicht geglaubt, dass das möglich wäre – vielleicht ist es auch gar nicht möglich –, aber es ist machbar. Aber wissen Sie, was mir wirklich Sorgen bereitet? Nicht die Sympathiebekundungen oder die Medienberichterstattung, die Fanclubs und all das… Sondern diese Idioten, die glauben, eine Gemütskrankheit sei etwas Glamouröses, Romantisches. Sie meinen, verrückt zu werden sei eine Art spirituelles Abenteuer. Das ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist furchtbar. Es ist banal. Ich lebe mit jemandem zusammen, der banal geworden ist. Mein geliebter Mann war der am wenigsten banale Mensch, dem ich je begegnet bin. Er hatte so viele Facetten und sprühte vor Ideen; er war energisch, klug und charmant. Jetzt ähnelt er einem großen Kind. Einem nicht sehr hellen Kind, das man täuschen und manipulieren, aber mit dem man nicht vernünftig reden kann.«
»Sie sind sehr tapfer. Ich bewundere Sie für Ihre Haltung.«
Lorena brach in Tränen aus. Sie massierte sich mit ihren wunderschön gepflegten Fingerspitzen die Augen. »Jetzt weine ich, aber… Das macht
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