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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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wollte nie wieder so ‘nen Anruf tätigen. Aber ich hatte keine andre Wahl.«
    Was war los mit dem Mann? Das war Fontenot, keine Frage, aber sein Akzent hatte sich drastisch verstärkt. Es war, als spräche der Mann über einen digitalen Cajun-Dialekt-Vocoder.
    »Jules, Sie wissen, dass ich Ihren Rat stets geschätzt habe. Ihr Fortgang hat daran nichts geändert. Sagen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben.«
    »Flüchtlinge aus Haiti. Verstehn Sie? Ein Lager für haitianische Flüchtlinge.«
    »Haben Sie eben ›Haiti‹ gesagt? Meinen Sie frankophone Schwarze aus der Karibik?«
    »Genau! Kirchenleute aus Haiti. Huey hat ihnen politisches Asyl gewährt. Hat ihnen weit draußen ‘n kleines Musterdorf gebaut. Die wohnen jetzt in meinen Sümpfen.«
    »Ich verstehe, Jules. Evakuierungen, haitianische Flüchtlinge, Notunterkünfte, französische Sprache, das sieht ganz nach Huey aus. Wo liegt das Problem?«
    »Also, irgendwas stimmt da nicht. Nicht bloß deshalb, weil’s Fremde sind. Angehörige einer anderen Religion. Schwarze, religiöse Flüchtlinge, die Voodoo praktizieren und kreolisch sprechen. Da steckt noch mehr dahinter. Huey hat irgendwas mit ihnen angestellt. Drogen vielleicht. Oder es hat was mit Genetik zu tun. Sie verhalten sich merkwürdig. Ausgesprochen merkwürdig.«
    »Jules, entschuldigen Sie, aber ich muss mich vergewissern, dass ich Sie richtig verstanden habe.« Oscar gab Kevin hektisch Zeichen – SCHNEIDEN SIE DAS MIT. SCHALTEN SIE IHREN LAPTOP EIN. MACHEN SIE SICH NOTIZEN! »Jules, wollen Sie damit sagen, der Gouverneur von Louisiana benutze haitianische Flüchtlinge als Versuchskaninchen für Verhaltensexperimente?«
    »Ich würd’s vor Gericht nicht beschwören – weil ich niemanden dazu kriege, mal hier rauszukommen und sich das anzusehen! Es beschwert sich niemand, das ist das Problem. Das sind die glücklichsten gottverdammten Haitianer auf der ganzen Welt.«
    »Das ist bestimmt was Neurales. Eine Stimmungsbeeinflussende Behandlung.«
    »Kann sein. Aber das ist was anderes als die Drogen, die ich kenne oder von denen ich gehört hab. Mir fehlen einfach die Worte, um die Lage zu schildern. Mir fehlen einfach die Worte.«
    »Und Sie möchten, dass ich zu Ihnen komme und mir das ansehe.«
    »Das hab ich nicht gesagt, Oscar. Ich meine bloß… na ja, die hiesige Polizei ist bestochen, die Staatsmiliz ist geschmiert, der Geheimdienst hört mir nicht mehr zu, niemand schert sich drum. Da leben Haitianer von einer kahlen, untergehenden Insel, und niemand schert sich drum. Keine verdammte Menschenseele.«
    »Ich schon, Jules. Das können Sie mir glauben.«
    »Ich komme einfach nicht damit klar. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, ich muss ständig dran denken.«
    »Behalten Sie die Ruhe. Sie haben richtig gehandelt. Ich werde etwas unternehmen, ganz bestimmt. Kann ich Sie irgendwie erreichen? Vertraulich, abhörsicher?«
    »Fehlanzeige. Ich hab mein Handy weggeschmissen.«
    »Wie soll ich dann weiter vorgehen?«
    »Ich bin im Ruhestand! Verdammt noch mal, Oscar, sagen Sie bloß niemandem, dass ich die Sache bekannt gemacht habe! Ich lebe jetzt hier. Ich liebe diesen Ort. Ich will hier sterben.«
    »Das ist nicht richtig, Jules, und das wissen Sie. Das ist eine äußerst ernste Angelegenheit. Entweder Sie sind drin im Spiel, oder Sie sind draußen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    »Okay. Ich bin draußen.« Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Oscar wandte sich an Kevin. »Haben Sie das Wesentliche mitbekommen?«
    »Wer war das? Ein Verrückter?«
    »Das war mein ehemaliger Sicherheitschef, Jules Fontenot. Er war während des Wahlkampfs für die Sicherheit zuständig. Zufällig ist er ein Cajun. Er ist ausgestiegen, kurz bevor ich Sie kennen gelernt habe, und seitdem ist er draußen im Bayou und angelt.«
    »Und jetzt tischt er ihnen dieses Ammenmärchen auf und versucht, Sie in die Sümpfe von Louisiana zu locken?«
    »Stimmt. Und ich werde auch hingehen.«
    »Moment, Cowboy. Überlegen Sie erst mal. Was ist wahrscheinlicher? Dass Huey Gräuellager im Bayou unterhält oder dass man Ihren ehemaligen Freund, den Cajun, gegen Sie einsetzt? Das ist eine Falle, Mann. Damit die Sie kidnappen können, wie sie’s schon mal versucht haben. Die werden sie zusammenschlagen und den Alligatoren zum Fraß vorwerfen.«
    »Kevin, ich weiß Ihre Hypothese zu schätzen. Das ist umsichtig und bodyguardmäßig gedacht. Aber ich will Ihnen verraten, was es politisch damit auf sich hat. Ich kenne

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