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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ihn als Verhandlungspartner interessanter denn als Geliebte oder Beziehungspartner. Er fühlte sich sehr zerknirscht deswegen.
    »Greta, das Eingeständnis fällt mir nicht leicht, aber du hast recht. Jetzt, da alle wissen, dass wir ein Paar sind, haben wir nie Zeit füreinander. Wir haben uns heute Abend gemeinsam in der Öffentlichkeit gezeigt, und ich habe dich taktlos alleingelassen. Das gebe ich zu. Es tut mir leid. Ich möchte es wieder gutmachen.«
    »Du solltest dich mal anhören. Das klingt so, als würdest du vor einem Ausschuss reden. Wir beide sind jetzt Politiker. Du redest mit mir wie ein Diplomat. Ich muss Reden des Präsidenten lesen, die voller Lügen sind. Ich komme nicht mehr dazu, an etwas zu arbeiten, das mich interessiert. Ich reibe mich in einer nicht enden wollenden politischen Krise auf. Ich hasse die Verwaltungsarbeit. Mein Gott, ich habe solche Schuldgefühle«
    »Warum? Die Arbeit ist wichtig. Irgendjemand muss sie tun. Du machst deine Sache gut! Die Leute respektieren dich.«
    »Als wir in irgendwelchen Strandhotels schmutzigen, beinahe gewalttätigen Sex hatten, habe ich mich nicht so schuldig gefühlt. Das war zwar nicht der Mittelpunkt meines Lebens oder so, aber es war jedenfalls interessant. Ein gutaussehender, charmanter Kerl mit einem heißen Körper, das ist schon faszinierend. Viel interessanter, als dabei zuzusehen, wie meine Forschung den Bach runtergeht.«
    »O nein, du nicht auch noch«, sagte Oscar. »Erzähl mir nicht, du wolltest dich jetzt, nachdem ich so viel Arbeit investiert habe, gegen mich wenden. So viele Menschen haben mich bereits verlassen. Sie glauben einfach nicht, dass es funktionieren könnte.«
    Sie betrachtete ihn mit jähem Mitleid. »Armer Oscar. Du hast mich völlig falsch verstanden. Das ist nicht der Grund, weshalb ich mich schuldig fühle. Ich fühle mich schuldig, weil ich weiß, dass es funktionieren wird. Ich habe mich lange mit den Moderatoren unterhalten… Jetzt hab ich’s wirklich begriffen. Die Wissenschaft wird sich wirklich verändern. Sie wird immer noch ›Wissenschaft‹ sein. Sie wird ihre intellektuelle Struktur behalten, aber ihre politische Struktur wird völlig anders sein. Anstatt schlecht bezahlter Staatsangestellter wird es eine Avantgarde von dissidenten Intellektuellen geben, die für die Entrechteten arbeiten. Und das wird sich für uns auszahlen. Weil wir mit ihnen besser fahren werden als mit der Regierung. Die Prolos sind gar nicht so neu; sie ähneln großen, langhaarigen College-Studenten mit Körpergeruch. Mit solchen Leuten kommen wir klar. Das tun wir ständig.«
    Seine Miene hellte sich auf. »Bist du sicher?«
    »Das wird eine neue Akademie werden, mit ein paar feudalen Elementen. So wie im Mittelalter, als die Universitäten selbstständige Territorien waren, als die Gelehrten Amtsstäbe und kleine viereckige Hüte trugen, und wenn der Universität etwas nicht passte, schickte sie Horden von Studenten auf die Straßen, wo sie solange Rabatz machten, bis sie ihren Willen durchgesetzt hatten. Bloß dass wir nicht mehr im dunklen Mittelalter leben, sondern im Zeitalter des Getöses, des Lärms. Wir haben die Gesellschaft zerstört, mit unserem Wissen und der Beliebigkeit seiner Anwendung. Wir leben im Zeitalter des Lärms, und wir Wissenschaftler passen uns den Gegebenheiten an. Wir müssen keine Regierungsfunktionäre sein, die jede Menge Geld zur Verfügung haben, bloß weil sie der Regierung militärisch-industrielles Wissen zur Verfügung stellen. Das alles war einmal. Von nun an werden wir wie andere kreative Intellektuelle auch sein. Wir werden sein wie Künstler oder Violinbauer, mit einer kleinen Anhängerschar, die unsere Arbeit verfolgen und uns unterstützen.«
    »Wundervoll, Greta. Das hört sich prima an!«
    »Wir werden kluge, attraktive, sexy Wissenschaft betreiben, mit wenig Ausrüstung. Das ist die Zukunft der amerikanischen Forschung. Wir können es nicht den Europäern nachmachen, die alle möglichen moralischen Bedenken und Ängste haben hinsichtlich der Auswirkungen der Technik auf die Menschen; das macht keinen Spaß, das ist unamerikanisch. Von nun an werden wir wie Orville Wright in seinem Fahrradschuppen sein. Leichter wird es für uns nicht werden. Sondern schwerer. Aber wir werden unsere Freiheit haben. Unsere amerikanische Freiheit. Das ist ein Vertrauensbeweis für die menschliche Vorstellungskraft.«
    »Du bist eine Politikerin, Greta! Du hast hier einen Durchbruch erlebt. Ich bin

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