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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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gefährlich und interessant machten.
    Zu Hueys Pech bot die politische Landschaft Amerikas Platz für nur einen exzentrisch gekleideten, eisenfressenden, autoritären Gouverneur. Two Feathers hatte es bis ins Weiße Haus geschafft. Schlimmer noch, er sah in Huey eine untragbare Bedrohung, die ihm keine andere Wahl ließ. Er war entschlossen, Huey zu vernichten.
    Der Präsident beschuldigte den Gouverneur der landesverräterischen Kollaboration mit ausländischen Mächten in Kriegszeiten. Dies stimmte sogar, wenngleich der Krieg mit der Niederlande bislang vor allem dazu geführt hatte, dass es in Amerika von neugierigen europäischen Touristen wimmelte. Die Europäer hatten schon lange keine Kriegserklärung mehr erlebt. Es war amüsant, mit einem anderen Land Krieg zu führen, zumal dann, wenn in diesem Land auf Flohmärkten körbeweise Abhörwanzen angeboten wurden. Auf einmal war jeder sein eigener Spion.
    Als nächstes erhöhte der Präsident den Einsatz. Er verlangte die unverzügliche Rückgabe aller Waffen, die aus dem geplünderten Luftwaffenstützpunkt in Louisiana entwendet worden waren, und drohte mit nicht näher bezeichneten ernsten Vergeltungsmaßnahmen.
    Es erübrigt sich zu erwähnen, dass die gestohlenen Waffen nicht zurückgegeben wurden. Stattdessen beschuldigte der Gouverneur den Präsidenten, das Kriegsrecht einführen zu wollen und einen Staatsstreich zu planen.
    Hueys Senatoren entfesselten im US-Senat einen Marathon-Verfahrenskrieg der Verschleppungstaktik. Der Präsident verlangte die Amtsenthebung zweier Senatoren aus Louisiana. Des weiteren kündigte er Ermittlungen gegen sämtliche Vertreter Louisianas an.
    Huey verlangte vom Kongress, gegen den Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, und rief zu einem Generalstreik der Antikriegsaktivisten auf, der das Land paralysieren sollte.
    Die Drohung mit dem Generalstreik konterte der Präsident mit der einseitigen Gründung einer neuen Freiwilligenorganisation, des ›Zivilen Nachrichtendienstes für Landesverteidigung‹. Auf dem Papier machte diese Organisation einen sehr merkwürdigen Eindruck – ein nationaler Debattierclub so genannter ›Bürgeraktivisten‹, die allein dem Präsidenten verpflichtet waren. Der ZNL hatte kein Budget, und den Vorsitz führte ein älterer, hochdekorierter Kriegsheld, der zufällig in Colorado lebte. Zufällig war er auch mit dem Präsidenten befreundet. Zufällig handelte es sich um einen hochrangigen Moderator.
    Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass der ZNL mit den Moderatoren identisch war. Der ZNL war eine riesige Prologang, welche die unmittelbare Unterstützung des Präsidenten genoss. Damit war der Rubikon überschritten. Damit wurde offensichtlich, dass der Gouverneur von Colorado jahrelang seine eigene Prolostreitmacht gefördert hatte. Huey hatte die Regulatoren als geheime Eingreiftruppe benutzt, der Präsident aber brachte seine Privatmafia ganz offen ins Spiel und schwang sie wie eine Keule. Der Präsident reagierte vielleicht ein wenig spät, aber er besaß einen großen Vorteil. Er war der Präsident.
    Jetzt wirkte der Präsident zum ersten Mal wahrhaft mächtig, sogar gefährlich. Dies war eine klassische politische Koalition: dergleichen hatte auch im mittelalterlichen Frankreich funktioniert. Der lange Zeit vergessene Unterbau hatte sich mit der ehemals schwachen Spitze verbündet, um dem arroganten und gespalteten Mittelbau den Marsch zu blasen.
    Als Erstes setzte der Präsident seine halb legalen Streitkräfte gegen die mittlerweile illegalen Notstandsausschüsse ein. Dies war ein brillanter Schachzug, denn die Notstandsausschüsse wurden allgemein verabscheut und waren noch mehr gefürchtet als die Prolos. Außerdem hatten die Notstandsausschüsse ihre rechtliche Grundlage verloren und waren mit ihrem Latein bereits am Ende. Eine seit neuestem illegale Machtgruppierung mit einer erst kürzlich legalisierten Streitmacht anzugreifen, das traf bei den Amerikanern weitgehend auf Zustimmung. Dem Manöver war eine hübsche unterschwellige Symmetrie zu eigen. In den Meinungsumfragen machte der Präsident einen großen Sprung nach vorn. Er brachte greifbare Ergebnisse zustande, nachdem jahrelang überhaupt nichts passiert war.
    Der neu gebildete ZNL bediente sich seinerseits einiger eindrucksvoller neuer Taktiken. Es mangelte ihm an der rechtlichen Grundlage, irgend jemanden festzunehmen, daher setzte er Angehörige der Notstandsausschüsse mit so genannten Kletten unter Druck.

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