Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
an dem Schwung, wie Notstand und Krieg ihn mit sich brachten. Die Arbeit war zwar immer schon anstrengend gewesen, doch hatten sich die Beteiligten kaum jemals gelangweilt.
    Jetzt hatten Greta und Oscar hin und wieder Zeit, an sich selbst zu denken und miteinander zu sprechen anstatt für die Öffentlichkeit. Momente, da die übrigen Ausschussangehörigen anderswo beschäftigt waren. Momente, da sie miteinander allein sein konnten.
    Oscar blickte sich im leeren Versammlungsraum um. Der Raum war das Spiegelbild seiner Seele: leer, überhell, verwaist, angefüllt mit offiziellem Geröll.
    »Das war’s, Greta. Die Kampagne ist endlich vorbei. Wir haben gewonnen. Wir sind an der Macht. Wir müssen jetzt zur Ruhe kommen, wir müssen lernen zu herrschen. Wir sind keine Rebellen mehr, denn wir können nicht gegen uns selber protestieren und streiken. Wir können nicht einmal gegen den Präsidenten rebellieren: er ignoriert uns auf passiv-aggressive Weise, er lässt uns Handlungsfreiheit. Er will sehen, ob wir’s schaffen oder uns das Genick brechen. Wir müssen uns jetzt mit den Realitäten befassen. Wir müssen uns konsolidieren.«
    »Ich habe darauf gewartet, dass du mir das sagst. Dass ich endlich aus dem Schneider bin. Keine Jeanne d’Arc mehr.«
    »Ich habe dich als Jeanne d’Arc hingestellt, weil eine Kandidatin, die einen heroischen Feldzug anführt, dieses Image braucht. Du bist nicht Jeanne d’Arc. Jeanne d’Arc war ein fünfzehnjähriges Militärgenie, das Stimmen hörte. Du hörst keine Stimmen. Das ganze Geschrei, das du dir ständig anhören musstest, war kein Engelsrufen, sondern eine sehr geschickte und kluge PR-Kampagne. Jeanne d’Arc wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Es war nicht meine Absicht, dich den Flammen zu opfern. Das will ich nicht, Greta. Das ist es nicht wert.«
    »Aber was hast du dann mit mir vor, Oscar? Du willst eine Jeanne d’Arc, die am Ende mit allem durchkommt. Ein schizophrenes Bauernmädchen, das erfolgreich eine große Burg erbaut und am Ende, ja, was denn, französische Herzogin wird? Eine Bauernherzogin in prächtigen Brokatkleidern.«
    »Und mit einem Prinzen an ihrer Seite. Okay?«
    »Warum sollte Jeanne d’Arc einen Prinzen haben wollen oder brauchen? Ich meine – auf lange Sicht.«
    »Also, der naheliegende Kandidat wäre Gilles de Rais gewesen – doch das war aussichtslos. Aber was soll’s; historische Analogien bringen uns nicht weiter. Ich rede von dir und mir. Wir sind am Ende unseres Weges angelangt. Wir stehen an einem Wendepunkt. Jetzt müssen wir Stellung beziehen. Wir müssen sesshaft werden.«
    Greta schloss die Augen, atmete mehrmals tief durch. Das leise Zischen des Luftfilters war das einzige Geräusch im Raum. Der viele Stress hatte ihre Allergien verschlimmert; sie schleppte ihre Luftfilter jetzt ständig mit sich herum wie eine Handtasche. »Also geht es letztlich um dich und mich.«
    »So ist es.«
    »Nein, das stimmt nicht. Ich will dir sagen, wie ich darüber denke. Als ich dich zum ersten Mal sah, war ich ausgesprochen skeptisch. Ich wollte keinen Ärger haben. Aber du hast mir immer wieder Avancen gemacht. Und ich dachte: Was macht der da? Das ist ein Politprofi. Ich habe dem Kerl nichts zu bieten. Ich verschwende bloß im Verwaltungsrat meine Zeit damit, vernünftige Geräte herbeizuschaffen. Und nicht einmal das ist mir gelungen. Aber dann meldete sich der leise Gedanke zu Wort: der Kerl ist wirklich scharf auf mich. Er findet mich sexy. Er will mit mir schlafen. So einfach ist das.«
    Sie atmete tief durch. »Und ich dachte mir: Das ist wirklich eine schlechte Idee. Aber was kann mir schon passieren? Wenn man mich mit diesem Menschen im Bett vorfindet, wird man mich rügen und aus dem Verwaltungsrat hinauswerfen. Wunderbar! Dann kann ich wieder ins Labor! Und außerdem: Schau ihn dir an! Er ist jung, er sieht gut aus, er schreibt dir lustige Briefchen, er schickt dir große Blumensträuße. Und er hat etwas Besonderes.«
    Sie schaute ihn an. Oscar hing an ihren Lippen. Er hatte das Gefühl, er habe sein ganzes Leben lang auf diesen Moment gewartet.
    »Ich habe mich in dich verliebt, Oscar. Ich weiß, dass es wahr ist, denn du bist der einzige Mann, wegen dem ich niemals eifersüchtig war. Diese Art von emotionalem Luxus kannte ich bisher nicht. Ich liebe dich, und ich bestaune dich als meinen Lieblingskauz. Ich liebe dich wirklich um deiner selbst willen, durch und durch, mit Haut und Haar. Wir hatten eine tolle Zeit. Ich habe den Sprung

Weitere Kostenlose Bücher