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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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kanadischen Modell beruhte. Der Plan würde niemals funktionieren. Er war bewusst eingefügt worden, um der Opposition die Genugtuung zu gewähren, wenigstens einen Punkt zu zerreißen.
     
    Gegen die vollendeten Tatsachen, welche der Präsident geschaffen hatte, gab es kaum Widerstand – am wenigsten seitens des Staates Louisiana. Angesichts der Orkangewalt des Wandels neigte Green Huey sich mit dem Wind.
    Huey trat als Gouverneur zurück. Er bat die Bevölkerung um Verzeihung, vergoss vor der Kamera heiße Tränen, bekundete sein tiefes Bedauern über die Exzesse der Vergangenheit und versprach eine brandneue, hundertprozentig regierungstreue Normalisierungspolitik. Auch sein Stellvertreter trat zurück, was nicht weiter auffiel, da er der farbloseste von Hueys Handlangern gewesen war.
    Hueys willfähriger Senat setzte sogleich einen neuen Gouverneur ein. Dabei handelte es sich um eine spektakuläre junge Schwarze aus New Orleans, eine ehemalige Schönheitskönigin von (zumindest für eine Staatsbeamte) solch ungewöhnlicher und erstaunlich geschmeidiger Schönheit, dass die Kameras der Welt einfach nicht die Objektive von ihr wenden wollten.
    Die erste Amtshandlung der neuen Gouverneurin bestand darin, eine Generalamnestie für sämtliche ehemaligen Regierungsmitglieder und speziell Green Huey zu verkünden. Als nächstes formalisierte sie die ›formellen und informellen‹ Beziehungen des Bundesstaats Louisiana zu den Regulatoren. Die Regulatoren sollten fortan als loyale Untergruppe des landesweiten ZNL fungieren, nach dem Vorbild der nationalen Institution, die der weise Präsident in seiner unendlichen Güte der amerikanischen Republik aufgeprägt hatte. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich einige haitianische Gäste des Staates Louisiana noch immer in Regierungsgewahrsam befanden, und die neue Gouverneurin, die selbst haitianischer Abstammung war, bat für sie um Milde.
    Einem wagemutigen Nachrichtenteam – das offenbar bestochen war – gelang es, einige der Haitianer, welche die Tage und Stunden in ihrem medizinischen Kraal abgesessen hatten, zu interviewen. Nachdem man sie aus ihren Häusern entfernt und sie von Kopf bis Fuß untersucht hatte, verliehen die Haitianer natürlich ihrem demütigen Wunsch Ausdruck, in die Sumpfsiedlung zurückkehren zu dürfen. Die Bitten waren ausgesprochen poetisch, was selbst in der Übersetzung noch zu spüren war. Aber schließlich waren sie bloß Haitianer, deshalb schenkte man ihren Wünschen keine große Beachtung. Sie blieben in Abschiebehaft, während der Präsident auf den nächsten Schachzug des Ex-Gouverneurs wartete.
    Was das Buna National Collaboratory und dessen übereifrige Reformer anging, hielt sich der Präsident zurück. Offenbar war er mit größeren, wichtigeren Dingen befasst – und er war in der Position, gemäß der Resonanz in der Öffentlichkeit seine eigenen Akzente zu setzen.
    Mit dem plötzlichen, überraschenden Kriegsende kam die zügellose Einwanderung nach Buna nahezu zum Erliegen. Dann kehrte sich die Entwicklung um. Die Menschen hatten genug gesehen. Die Gaffer, die Jahrmarktschreier und die am leichtesten abzulenkenden Mitläufer merkten auf einmal, dass eine glamouröse, unkommerzielle Gewächshausgesellschaft intellektueller Dissidenten einfach nicht für jedermann geeignet war. In ihr zu leben erforderte eine Menge Arbeit. Die Tatsache, dass kein Geld im Spiel war, bedeutete nicht, dass man nicht hätte arbeiten müssen; das Gegenteil traf zu. Diese Kombination aus Wissenschaft und wirtschaftlicher Massenverweigerung erforderte enorm viel hingebungsvolle Arbeit und ständige selbstlose Anstrengung, die zum großen Teil von zum Scheitern verurteilten Experimenten aufgesogen wurde, auf Wegen versandete, die man besser nicht eingeschlagen hätte, und in intellektuell reizvollen Projekten versickerte, die sich als Sackgassen entpuppten.
    Abseits der wehenden Partywimpel wurde in Buna auch ernsthafte Arbeit geleistet: ›Wissenschaft‹ mit einem neuen obsessiven Potenzial, denn dies war Art pour l’Art, Wissenschaft als Selbstzweck. Wissenschaft war die selbstgewählte Beschäftigung dieser kleinen Bevölkerungsgruppe, die sich ausschließlich von Wissensdurst leiten ließ. Die heiße Luft des revolutionären Eifers aber würde irgendwann aus der Blase entweichen, und in der kalten Luft der Realität würde alles klamm werden und sich nicht mehr so angenehm anfühlen.
    Der Arbeit im Normalisierungsausschuss mangelte es naturgemäß

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