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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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gewagt und hatte keine Angst dabei, denn letzten Endes verfügst du über eine große, entscheidende, seligmachende Gnade. Denn du bist nur vorläufig. Du bist nicht meine Bestimmung. Du bist nicht mein Prinz. Du bist bloß ein Besucher, ein Vertreter auf der Durchreise.«
    Oscar rückte. »So kommen wir weiter.«
    »Wirklich?«
    »Das stimmt vollkommen. Ich war immer nur vorläufig. Ich erteile gute Ratschläge, ich leite Wahlkämpfe, ich komme und gehe. Ich habe kurze Affären, aber ich bringe nichts Dauerhaftes zustande! Mein Stiefvater hat mich spontan ausgewählt. Dad hatte vier Ehefrauen und zahllose Freundinnen: die Frauen sind in meiner Kindheit nur so an mir vorbeigerauscht. Ich habe ständig Fieber. Ich muss mich jeden Morgen neu zusammensetzen. Ich habe eine Firma aufgebaut, aber ich habe sie verkauft. Ich habe ein Haus gebaut, aber es steht leer. Ich habe ein Hotel gebaut, aber ich kann es nicht leiten. Ich habe ein Bündnis geschmiedet, ich habe eine neue Gesellschaft aufgebaut. Ich habe eine Stadt gebaut, um ihr Wohnraum zu bieten, mit einem Leuchtturm und plärrenden Lautsprechern und fähnchenschwingenden Bewohnern, aber ich kann mich trotzdem nicht zum Bleiben entschließen. Ich bin der Gründervater, ich bin der Prinz, aber ich gehöre nicht hierher. Ich kann einfach nicht bleiben.«
    »Ach, Gott.«
    »Verstehst du, worum’s mir geht?«
    »Oscar, wie könnte ich bleiben? Ich kann nicht so weitermachen, ich bin völlig ausgebrannt. Ich habe getan, was ich tun musste, ich kann nicht behaupten, du hättest mich benutzt. Aber irgend etwas hat mich benutzt. Die Geschichte hat mich benutzt, und sie braucht mich auf. Selbst unsere Affäre ist jetzt aufgebraucht.«
    »Wir sollten das Richtige tun, Greta, wir sollten Nägel mit Köpfen machen. Lass uns gemeinsam Stellung beziehen. Ich möchte dich heiraten.«
    Sie barg das Gesicht in den Händen.
    »Tu das nicht. Hör mir zu. Es kann funktionieren. Es ist machbar. Es ist geradezu ein genialer Schachzug.«
    »Oscar, du liebst mich nicht.«
    »Ich liebe dich so sehr, wie ich überhaupt lieben kann.«
    Sie musterte ihn erstaunt. »Eine brillante Ausflucht.«
    »Du wirst nie einen Mann finden, der mehr Verständnis für deine Interessen aufbringt als ich. Wenn du jemand anderen findest, den du heiraten willst, dann verlass mich! Davor habe ich keine Angst. Dazu wird es niemals kommen.«
    »Mein Gott, wie gut du doch reden kannst.«
    »Es ist mir ernst. Ich meine es vollkommen ehrlich. Ich möchte eine ehrbare Frau aus dir machen. Ich beziehe endlich Stellung, ich lege mich fest. Die Ehe ist eine erhabene Institution. Die Heirat ist großes symbolisches Theater. Zumal eine Prunkhochzeit. Es war eine Kriegsromanze, und das ist jetzt eine Friedenshochzeit, und alles ist ganz normal und vernünftig. Wir veranstalten ein Fest, wir laden alle Welt ein. Wir tauschen Ringe aus, wir lassen uns mit Reis bewerfen. Wir schlagen Wurzeln.«
    »Wir haben keine Wurzeln. Wir sind Netzwerkleute. Wir haben Luftwurzeln.«
    »Es ist richtig und angemessen. Es ist nötig. Es ist der einzig richtige Weg für uns beide, nach alldem weiterzumachen.«
    »Oscar, wir können nicht weitermachen. Wenn ich dich heirate, heißt das noch lange nicht, dass dadurch eine ganze Gemeinschaft zusammengeschweißt würde. Die Beziehung zweier Menschen zu legitimieren, heißt nicht, ihre Gesellschaft zu legitimieren. Ich bin eine Kriegsherrin und eine Streikführerin – ich war Jeanne d’Arc. Niemand hat mich gewählt. Ich herrschte mittels Gewalt und kluger Propaganda. Die wahren Mächte seid ihr, du und Kevin. Und Kevin ist wie jeder andere Outlaw, der Macht in die Hände bekommt: er ist ein gemeines kleines Scheusal. Er bringt mir große Dossiers, er tyrannisiert die Leute und spioniert ihnen nach. Ich bin das alles leid. Es verwandelt mich in ein Monstrum. Ich kann so nicht weitermachen, das ist nicht richtig. Das hat keine Zukunft.«
    »Du hast dir eine Menge Gedanken darüber gemacht, nicht wahr?«
    »Du hast mir beigebracht, mir Gedanken zu machen. Du hast mich gelehrt, politisch zu denken. Du bist ein guter Taktiker, Oscar, du bist wirklich clever, du weiß alles über die Ticks und Schwächen anderer Menschen, aber von ihrer Integrität und Stärke verstehst du nichts. Du bist kein guter Stratege. Du kennst die schmutzigen Tricks mit den Go-Steinen in der Ecke, aber das Spielbrett als Ganzes verstehst du nicht.«
    »Du etwa?«
    »Teilweise schon. Ich kenne die Welt gut genug, um zu wissen,

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