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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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einmal kam ihm die glatte Karosserie fremdartig und abstoßend vor. Der Bus hatte ihm sein Heim gestohlen und die Frau im Schlafzimmer. Der Bus hatte ihn gekidnapped. Er wandte ihm den Rücken zu und näherte sich ziellos dem dichten texanischen Wald. »Nein«, sagte er. »Ich weiß schon. Es geht um die Arbeit. Um deine Karriere. Ich habe damit angefangen. Ich habe einen wichtigen Job angenommen und dich verlassen. Hab ich recht? Ich habe dich allein gelassen, und ich bin immer noch nicht wieder bei dir. Ich bin weit weg von dir und weiß nicht, wann ich wiederkomme.«
    »Also, das hast du gesagt, nicht ich. Aber es stimmt.«
    »Dann darf ich dir wirklich keine Vorwürfe machen. Andernfalls wäre ich ein Heuchler, nicht wahr? Wir wussten beide, dass es dazu kommen könnte. Wir haben einander keine Versprechungen gemacht.«
    »Das stimmt.«
    »Es war eine Beziehung.«
    »Ich mochte die Beziehung.«
    »Sie war gut, findest du nicht? Sehr gut sogar, in Anbetracht der Umstände.«
    Clare seufzte. »Nein, Oscar, das darfst du nicht sagen. Sag das nicht, das wäre nicht fair. Es war mehr als nur gut. Es war großartig, es war einfach perfekt. Ich meine, du hast mir so viel gegeben. Du hast nie versucht, mich zu beeinflussen, und du hast mich kaum jemals angelogen. Du hast mich bei dir wohnen lassen. Du hast mich deinen reichen und einflussreichen Freunden vorgestellt. Du hast meine Karriere unterstützt. Du hast mich nie angebrüllt. Du warst ein wahrer Gentleman. Brillant. Ein Traumpartner.«
    »Das ist lieb von dir.« Er fühlte sich ganz wund.
    »Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich es nicht geschafft habe… du weißt schon… über diese Geschichte hinweg zu kommen.«
    »Ja«, sagte Oscar bitter. »Das ist mir nicht neu.«
    »Das ist – das ist halt eine dieser ewigen Tragödien. So etwas wie mein Minderheitsstatus als Weiße.«
    Oscar seufzte. »Clare, ich glaube nicht, dass du wegen deiner weißen Hautfarbe schon mal diskriminiert worden bist.«
    »Nein, das Leben ist hart, wenn man einer Minderheit angehört. Es ist einfach so. Ich meine, gerade du solltest doch wissen, was das bedeutet. Ich weiß, du kannst nichts für deine Herkunft, aber trotzdem… Ich meine, das ist einer der Gründe, weshalb ich den Job in den Niederlanden angenommen habe. So viele amerikanische Weiße kehren nach Europa zurück… Dort sind meine Leute, verstehst du? Dort liegen meine Wurzeln. Ich glaube, das würde mir irgendwie helfen.«
    Oscar bekam kaum mehr Luft.
    »Ich habe ein richtig mieses Gefühl, Schatz, als hätte ich dich hängen lassen.«
    »Nein, so ist es besser«, sagte Oscar. »Es tut sehr weh, aber es schmerzt weniger, als wenn sich die Beziehung dahinschleppen würde und wir uns gegenseitig etwas vormachten. Lass uns Freunde bleiben.«
    »Weißt du, vielleicht komme ich ja wieder. Du brauchst nichts zu überstürzen. Du brauchst nicht gleich alles über den Haufen zu schmeißen. Ich bin’s doch, deine Clare. Hier geht’s nicht um Politik.«
    »Lass uns einen klaren Schlussstrich ziehen«, sagte er mit fester Stimme. »Das ist am besten für uns. Für uns beide.«
    »Also gut. Ich glaube, ich verstehe dich. Leb wohl, Oscar.«
    »Es ist vorbei, Clare. Leb wohl.« Er legte auf. Dann schleuderte er das Handy in den Wald.
    »Alles geht schief«, sagte zum schmutzigen rotgrauen Himmel. »Was ich auch anpacke, alles geht schief!«

3
     
    Oscar zog Klebeband von einer gelben Rolle ab und wickelte es um einen Betonblock. Er schwenkte einen Handscanner über dem Block und aktivierte das Klebeband. Es ging auf ein Uhr morgens zu. Der Wind, der aus dem finsteren Pinienwald wehte, war feucht und unangenehm, doch Oscar arbeitete angestrengt, und das garstige Wetter war ihm gerade recht.
    »Ich bin ein Eckstein«, verkündete der Betonblock.
    »Schön für dich«, knurrte Oscar.
    »Ich bin ein Eckstein. Bewegen Sie mich fünf Schritte nach links.«
    Oscar überging die Bemerkung und umwickelte rasch noch sechs weitere Blöcke mit Klebeband. Über jedem Stein schwenkte er den Scanner, dann trug er den letzten Block beiseite, um die nächste Reihe abzuschließen.
    Als er die beschuhten Hände darum legte, warnte ihn der Stein: »Bauen Sie mich noch nicht ein. Nehmen Sie erst den Eckstein.«
    »Klar«, meinte Oscar. Das Bausystem beherrschte ein sehr begrenztes Fachvokabular. Bedauerlicherweise hörte das System nicht sonderlich gut. Die in das Sprechband eingebetteten winzigen Mikrofone waren weit weniger effektiv als die

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