Brennendes Land
voran.
»Danke.« Er schnitt drei schwarze Packbänder durch. »Ich bin froh, dass Sie gekommen sind. Ich hatte hier einen schweren Stand, ganz allein bei einem Gruppenprojekt. Aber die Arbeit hat eine therapeutische Wirkung auf mich.« Er stemmte den Deckel der Kiste ab und warf ihn beiseite. »Ich habe es nämlich meistens schwer in meinem Beruf.«
»In Ihren Akten steht was anderes.« Sie hatte die Arme verschränkt. Der Wollhut war ihr in die Stirn gerutscht.
»Dann haben Sie also ein paar Nachforschungen über mich angestellt.«
»Ich bin sehr neugierig.« Sie zögerte.
»Schon gut, das tut heutzutage doch jeder. Ich war schon als Kind eine Berühmtheit. Mein Leben ist gut dokumentiert, daran bin ich gewöhnt.« Er lächelte säuerlich. »Wenngleich Sie sich durch eine flüchtige Netzrecherche wohl kaum einen umfassenden Eindruck von meiner einnehmenden Persönlichkeit verschaffen können.«
»Wäre ich so flüchtig vorgegangen, wäre ich jetzt wohl kaum hier.«
Oscar schaute überrascht hoch. Sie erwiderte unerschrocken seinen Blick. Sie hatte nach Plan gehandelt. Sie verfolgte bestimmte Absichten. Sie hatte sich alles vorher auf Millimeterpapier zurechtgelegt.
»Wollen Sie wissen, weshalb ich mitten in der Nacht auf der Baustelle bin, Dr. Penninger? Meine Freundin hat mich verlassen.«
Sie ließ diese Information einsinken. Die Rädchen in ihrem Kopf drehten sich so rasch, dass er sie beinahe schwirren hörte. »Ach«, sagte sie. »Das ist bedauerlich.«
»Sie hat unser Haus in Boston verlassen, sie hat mich sitzen gelassen. Sie geht in die Niederlande.«
Ihre Brauen hoben sich unter der Krempe. »Ihre Freundin ist zu den Niederländern übergelaufen?«
»Nein, nicht übergelaufen! Sie hat dort einen Job angenommen, sie ist Journalistin. Jedenfalls ist sie fort.« Er blickte in die Kiste voller Installationsmaterial. »Das war ein schwerer Schlag für mich, das hat mich umgehauen.«
Der Anblick des Durcheinanders von Holzteilen und Rohren, die in dem billigen Plastiknest lagen, erfüllte Oscar mit wahrhaft existenziellem Ekel. Er richtete sich auf. »Wissen Sie was? Es war ganz allein meine Schuld. Das kann ich nicht leugnen. Ich habe sie vernachlässigt. Wir haben beide unsere Karriere verfolgt. Sie war unter den Berühmtheiten an der Ostküste zu Hause; solange wir noch gemeinsame Interessen hatten, waren wir ein gutes Paar…« Er hielt inne und versuchte, ihre Reaktion einzuschätzen. »Soll ich Sie wirklich damit belasten?«
»Wieso nicht? Ich verstehe das. Manchmal klappt es einfach nicht. Liebe und Wissenschaft… ›Die Chancen stehen gut, aber was ist der Lohn?‹« Sie schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, dass Sie ledig sind. Haben Sie denn niemanden?«
»Nichts Dauerhaftes. Ich bin ein Workaholic.«
Oscar fand diese Informationen ermutigend. Mit vom Ehrgeiz Besessenen empfand er eine instinktive Verbundenheit. »Ich möchte Sie was fragen, Greta. Wirke ich einschüchternd auf Sie?« Er fasste sich an die Brust. »Mache ich anderen Leuten Angst? Bitte seien Sie offen.«
»Soll ich wirklich offen sein?«
»Ja.«
»Man sagt mir immer, ich sei zu offen.«
»Nur zu, ich kann’s vertragen.«
Sie reckte das Kinn. »Ja, Sie wirken einschüchternd. Die Leute sind vor Ihnen auf der Hut. Niemand weiß, was Sie wirklich von uns wollen oder was Sie im Labor überhaupt treiben. Wir rechnen alle mit dem Schlimmsten.«
Er nickte wissend. »Das ist ein Wahrnehmungsproblem, wissen Sie. Ich tauche bei Ihren Sitzungen auf und habe eine kleine Mannschaft mitgebracht, und schon brodelt die Gerüchteküche. Aber eigentlich sollte niemand Angst vor mir haben – weil ich einfach nicht wichtig genug bin. Ich bin bloß ein Senatsangestellter.«
»Ich habe an Anhörungen des Senats teilgenommen. Und ich habe von anderen Anhörungen gehört. Dabei geht es bisweilen ziemlich rau zu.«
Er rückte ein Stück näher an sie heran. »Also gut – ja, es könnte sein, dass man in Washington eines Tages ein paar harte Fragen stellen wird. Aber diese Fragen werde nicht ich stellen. Ich verfasse lediglich die Berichte.«
Sie zeigte sich davon unbeeindruckt. »Wie war das eigentlich mit dem Air Force-Skandal in Louisiana? Hatten Sie damit nicht eine Menge zu tun?«
»Was, damit? Das ist doch bloß Politik! Man sagt, ich hätte die Senatorenwahl beeinflusst – aber Einfluss ist was anderes. Bis ich Alcott Bambakias begegnet bin, war ich lediglich für den Stadtrat tätig. Der Senator ist der Mann mit Ideen und
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