Brennendes Wasser
sie absolut sicher.
Ihr Eindruck trog sie nicht. Wenngleich die Kradziks am liebsten allein arbeiteten, benötigten sie bisweilen die Unterstützung einiger alter Kampfgefährten. Als Brynhild Sigurd sich anschickte, die Flucht der Gebrüder Kradzik aus Bosnien in die Wege zu leiten, bestanden diese darauf, zehn ihrer loyalsten und kaltblütigsten Landsleute mitnehmen zu können. Zusammen nannten sie sich das Dreckige Dutzend, nach dem gleichnamigen amerikanischen Spielfilm. Verglichen mit dieser Gruppe, wirkten die Kinocharaktere allerdings wie ein Haufen Pfadfinder. Auf ihr Konto gingen Tod, Verstümmelung, Folter und Vergewaltigung von mehreren hundert unschuldigen Opfern.
Die Männer waren überall auf der Welt verstreut, konnten jedoch innerhalb weniger Stunden einem Mordauftrag zugewiesen oder zu einer bestimmten Mission herbeigerufen werden. Seit sie in den Diensten von Gogstad standen, hatten sie ihre Arbeit immer mit ungezügelter Begeisterung verrichtet.
Francesca hörte den Spiegel zerbersten und kam aus dem Arbeitszimmer auf den schmalen Flur. Der Mann in dem Anzug bellte einen Befehl, und noch bevor Francesca wusste, wie ihr geschah, wurde sie gepackt und neben Gamay an die Wand gedrückt. Der Mann mit dem Metallkoffer klappte diesen nun auf und entnahm ihm zwei tschechische Maschinenpistolen vom Typ Skorpion. Der falsche Reporter öffnete die Eingangstür, und ein weiterer Mann betrat das Haus. Bei seinem Anblick fühlte Gamay sich an einen übergroßen Kobold erinnert. Obwohl es draußen warm war, trug er eine lange Lederjacke, einen Rollkragenpullover, eine Bundfaltenhose und eine militärisch anmutende Schirmmütze. Alle Kleidungsstücke waren von tiefschwarzer Farbe.
Er verschaffte sich einen kurzen Überblick über die Lage und sagte etwas zu den anderen, das ihnen zu gefallen schien, denn sie fingen an zu grinsen. Gamay war im Rahmen ihrer Tätigkeit schon weit auf der Welt herumgekommen und vermutete, dass es sich bei der unbekannten Sprache der Männer um Serbokroatisch handelte. Der Neuankömmling erteilte einen barschen Befehl, woraufhin einer der Männer mit der Skorpion im Anschlag den Flur entlangging und vorsichtig in die angrenzenden Zimmer spähte. Die ausgeklappte Metallschulterstütze hielt er fest gegen den Bizeps gepresst. Dann verschwand er im hinteren Teil des Hauses. Sein Kamerad stieg die Treppe in den ersten Stock empor.
Der Mann mit der Lederjacke ging zu dem Spiegel, betrachtete die Scherben und wandte sich an Gamay.
»Sieben Jahre Unglück«, sagte er mit einem Grinsen, das aussah, als wäre es in einer Schmiede gegossen worden.
»Wer sind Sie?«, wollte Gamay wissen.
Er ignorierte die Frage. »Wo ist Ihr Mann?«
Gamay antwortete wahrheitsgemäß, dass sie es nicht wisse. Er nickte, als sei er bereits darüber informiert, und drehte sie herum, so dass ihr Gesicht zur Wand wies. Sie rechnete mit einem Schlag auf den Kopf oder einer Kugel in den Rücken. Stattdessen verspürte sie einen brennenden Einstich am rechten Arm.
Eine Nadel. Mistkerle! Man hatte ihr etwas injiziert. Sie drehte den Kopf und sah, dass auch Francesca eine Spritze erhielt. Gamay wollte ihr helfen, doch ihr Arm war taub. Binnen weniger Sekunden breit ete sich dieses Gefühl in ihrem gesamten Körper aus. Der Raum begann sich zu drehen, und sie hatte den Eindruck, in einen tiefen Abgrund zu stürzen.
Paul hörte den Spiegel zu Boden fallen und beobachtete vom oberen Ende der Treppe aus, wie ein Mann Gamay am Hals packte. Er wollte sich schon in den Kampf stürzen, als der Kerl mit der Lederjacke eintrat. Trout kehrte ins Arbeitszimmer zurück und nahm den Telefonhörer ab. Die Leitung war tot. Jemand musste sie durchgeschnitten haben. Leise schlich er sich über eine schmale Hintertreppe in die Küche. Im unteren Arbeitszimmer gab es einen Revolver, aber der einzige Weg dorthin führte durch den Flur. Er sah, dass einer der Männer sich ins obere Stockwerk begab und ein zweiter in seine Richtung kam, und wich in die Küche zurück.
Gab es denn keine andere Waffe? Natürlich hätte er ein Messer nehmen können, aber die waren nicht besonders Erfolg versprechend, vor allem nicht im Vergleich mit einer Maschinenpistole. Und selbst wenn er den ersten Kerl überwältigen könnte, würden die anderen beim leisesten Geräusch herbeieilen und ihn umlegen. Er musste eine Möglichkeit finden, den Mann mit einem Minimum an Lärm auszuschalten. Im Zuge ihrer letzten Renovierung des Hauses hatten Gamay und er
Weitere Kostenlose Bücher