Brennendes Wasser
der überregionalen Fernsehsender sowie einiger anrüchiger Supermarkt-Gazetten vor ihrer Tür.
Gamay und Paul teilten ihnen abwechselnd und in aller Höflichkeit mit, dass sie zurzeit noch etwas ausruhen wollten und alle Fragen im Rahmen einer Pressekonferenz beantworten würden, die für den nächsten Tag im Hauptquartier der NUMA anberaumt worden sei. Alle weiteren Einzelheiten seien über die Pressestelle der NUMA zu erfahren. Die Fotografen machten Aufnahmen von dem Haus, und die Fernsehreporter sprachen mit der Fassade im Hintergrund ihre Kommentare in die Kameras. Dann ebbte die ganze Aufmerksamkeit wieder ab. Doch die weltweiten Berichte hatten nicht nur das Interesse harmloser Bürger erregt.
Paul saß in seinem Büro im ersten Stock und verfasste für die Akten der NUMA soeben ein Resümee ihrer Erlebnisse. Francesca und Gamay befanden sich im Erdgeschoss und diskutierten im dortigen Arbeitszimmer, wie sich das Entsalzungsprojekt so schnell wie möglich wieder aufgreifen ließe. Nachdem Francesca gewillt war, vorerst noch nicht nach São Paulo zurückzukehren, hatten die Trouts ihr eine Zuflucht vor den unzähligen Pressevertretern angeboten. Als es an der Tür klingelte, seufzte Gamay vernehmlich. Sie war an der Reihe, sich mit den Journalisten herumzuschlagen. Am hartnäckigsten waren die TV-Teams, und so rechnete Gamay bereits damit, einen Reporter mit Notizblock in der Hand und einen Kameramann mit Handkamera auf der Schulter anzutreffen. Ein dritter Mann hielt einen Scheinwerfer und einen Metallkoffer.
Gamay widerstand der plötzlichen Regung, die Leute unverblümt zum Teufel zu jagen. Stattdessen zwang sie sich zu einem Lächeln. »Offenbar haben Sie noch nichts von der Pressekonferenz morgen früh gehört«, sagte sie.
»Bitte verzeihen Sie«, erwiderte der Reporter. »Uns hat niemand etwas von einer Konferenz erzählt.«
Wie seltsam, dachte Gamay. Die Presseabteilung der NUMA verfügte über sehr gute Kontakte zu allen Medien. Die Reporter wussten, dass sie von dort stets zuverlässig und freimütig mit den erstaunlichen Geschichten rund um die NUMA versorgt wurden. Dieser Kerl in dem schlecht sitzenden Anzug sah ganz anders aus als die gut frisierten, hübschen Jungs, die ansonsten vor die Kameras traten. Er war klein und stämmig und trug sein Haar millimeterkurz. Obwohl er grinste, wirkte sein Gesicht wild und verschlagen. Außerdem – seit wann beschäftigten die Fernsehsender Reporter mit ausgeprägtem osteuropäischen Akzent? Gamay schaute an ihm vorbei und rechnete damit, einen Übertragungswagen zu entdecken, auf dessen Dach Satellitenantennen montiert waren, doch sie sah lediglich einen Kleinlaster der Stadtverwaltung am Straßenrand stehen.
»Tut mir Leid«, sagte sie und wollte die Tür schließen.
Das Grinsen des Mannes verschwand. Stattdessen stellte er einen Fuß in den Eingang. Gamay war im ersten Moment überrascht, fing sich jedoch schnell und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür, bis der Mann vor Schmerz aufschrie.
Dann zog sie den Ellbogen zurück, um dem Eindringling die durchgestreckte Handfläche ins Gesicht zu stoßen, doch die anderen beiden Männer sprangen vor und warfen sich mit den Schultern gegen das Hindernis. Gamay wurde zurückgestoßen, verlor den Halt und ging in die Knie. Als sie sich wieder aufgerappelt hatte, war es bereits zu spät, um noch wegzulaufen oder Widerstand zu leisten, denn der angebliche Reporter zielte mit einer Pistole auf sie. Der Kameramann hatte derweil seine Ausrüstung abgestellt. Er ging auf Gamay zu und packte sie am Hals, sodass sie kaum noch Luft bekam. Dann schmetterte er sie so heftig gegen die Wand, dass der dort hängende Spiegel zu Boden fiel und zerbrach.
Gamay wurde wütend. Sie hatte wochenlang nach diesem golden gerahmten Prunkstück aus dem neunzehnten Jahrhundert suchen müssen und letztlich mehrere tausend Dollar dafür bezahlt. Jetzt schob sie alle Angst beiseite und rammte dem Mann das Knie in den Schritt. Der Griff um ihre Kehle lockerte sich für eine Sekunde, doch dann war der Fremde wieder über ihr und funkelte sie mordgierig an. Sie machte sich auf das Schlimmste gefasst, aber der Reporter rief etwas, und der Angreifer ließ von ihr ab. Mit unmissverständlicher Geste fuhr er sich mit dem Finger über den Adamsapfel. Gamay konnte ihn nur hilflos und wütend anstarren, aber die Bedeutung dieser Warnung war ihr durchaus klar. Der Mann würde ihr augenblicklich die Kehle durchschneiden, dessen war
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