Brennendes Wasser
Schalttafel aus weißem Kunststoff, in die auch ein Telefon integriert war. Mehr benötigte sie nicht, um jederzeit mit ihren weltweit verstreuten Firmen in Verbindung treten zu können. Die Temperatur in diesem Zimmer betrug sommers wie winters nur kühle dreieinhalb Grad.
Die wenigen Besucher, die jemals bis in dieses entlegene Refugium vorgelassen worden waren, hatten stets den Eindruck gehabt, einen Kühlschrank zu betreten, doch Brynhild fühlte sich hier wohl.
Sie war auf einer abgelegenen Farm in Minnesota aufgewachsen und hatte gelernt, die Kälte zu lieben und sich an der Reinheit zu erfreuen, die mit eisigen Temperaturen einherging.
Schon damals war sie häufig stundenlang allein unter dem Sternenzelt Ski gefahren, ohne auch nur zu bemerken, wie der Frost ihre Wangen erglühen ließ. Je größer und stärker sie wurde, desto mehr zog sie sich vom Rest der Menschheit zurück, und die »kleinen Leute«, wie Brynhild sie nannte, betrachteten sie zusehends als Sonderling. Ihre Schulzeit verbrachte sie in Europa und erzielte dank ihres brillanten Verstands ausgezeichnete Noten, obwohl sie nur selten am Unterricht teilnahm. Wenn es ihr nicht gelang, sich zu verstecken, fühlte sie sich durch die starrenden Blicke der anderen nur umso stärker in ihrem Ehrgeiz angestachelt und in ihrer schwelenden Wut bestärkt. So wurde auch der Grundstock zu ihrem Größenwahn gelegt.
»Vielen Dank, dass Sie das Gesetz zur Privatisierung des Colorado River unterstützen, Senator Barnes«, sagte sie in die Freisprechanlage des Telefons. »Sie werden von dieser Entscheidung ganz sicher beträchtlich profitieren, vor allem sobald die Firma Ihres Bruders die ersten Aufträge von uns erhält. Ich hoffe, Sie haben sich meine Vorschläge zu Herzen genommen.«
»Ja, Ma’am, das habe ich, vielen Dank. Natürlich kann ich wegen der vermeintlichen Interessenkonflikte nicht öffentlich in Erscheinung treten, aber mein Bruder und ich stehen uns sehr nahe, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Allerdings, Senator. Hatten Sie Gelegenheit, mit dem Präsidenten zu sprechen?«
»Ich habe noch vor wenigen Minuten mit seinem Stabschef telefoniert. Das Weiße Haus wird jeden Antrag unterbinden, der das bereits abgesegnete Privatisierungsgesetz ein weiteres Mal in Frage stellt. Der Präsident ist fest davon überzeugt, dass ein privates Unternehmen ausnahmslos wirtschaftlicher arbeitet als die öffentliche Hand, sei es nun auf dem Gebiet der Gefängnisverwaltung, der Sozialversicherung oder der Wasserversorgung.
«
»Wie viel Unterstützung wird der Kinkaid-Antrag bekommen?«
»Nur ein paar vereinzelte Stimmen, nichts Ernstes. Verdammt schade, dass Kinkaid diesen Unfall hatte. Ich habe den Mann immer gemocht. Aber ohne ihn als treibende Kraft ist seine Sache zum Scheitern verurteilt.«
»Hervorragend. Wie weit sind die anderen Gesetzesvorlagen?«
»Alles läuft wie geplant. Demnächst dürfte die behördlich gesteuerte Wasserversorgung überall im Land privatisiert werden.«
»Demnach gibt es keine Probleme mehr?«
»Bis auf eine Ausnahme vielleicht. Ein Redakteur der größten Tageszeitung in der Hauptstadt meines Heimatstaates erweist sich zunehmend als Quälgeist. Er setzt Himmel und Hölle in Bewegung, und ich fürchte, er könnte der Sache gefährlich werden.«
Sie fragte nach dem Namen des Mannes und prägte ihn sich sorgfältig ein. Auf ihrem Schreibtisch lagen weder Stifte noch Papier. Sämtliche Einzelheiten speicherte sie allein in ihrem Gedächtnis.
»Ach übrigens, Senator Barnes, haben Sie die kleine Wahlkampfspende erhalten?«
»Ja, Ma’am. Wirklich sehr großzügig von Ihnen, zumal es keinen Gegenkandidaten gibt. Eine große Kriegskasse trägt nur noch mehr zur Entmutigung der Opposition bei.«
Auf der Schalttafel blinkte ein rotes Lämpchen.
»Wir hören bald wieder voneinander. Auf Wiedersehen, Senator.«
Sie betätigte einen Knopf, und in der Wand des Raums öffnete sich eine Tür. Die Gebrüder Kradzik traten ein, beide mit den üblichen schwarzen Lederjacken bekleidet.
»Ja?«, sagte sie.
Die schmalen Münder verzogen sich gleichzeitig zu einem eisigen Lächeln.
»Wir haben den mexikanischen Farmer gefeuert…«
»… und auch den Anwalt, ganz wie befohlen.«
»Gab es Schwierigkeiten?«
Sie schüttelten die Köpfe.
»Im Fall des Farmers werden die Behörden keine großartigen Nachforschungen anstellen«, sagte sie. »Auch der Anwalt hatte viele Feinde. Jetzt zu etwas anderem. Bezüglich der Explosion
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