Brennendes Wasser
Nächstliegende.« Gamay zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. »Sie ist nicht in dieser Gegend aufgewachsen. Sie spricht Englisch mit leichtem Akzent. Sie ist klug. Sie ist freundlich. Und sie kennt sich eindeutig mit Früchten aus. Hier, probier mal eine von diesen kleinen gelben. Die schmecken wie Orange mit Zimt.«
Trout kostete die pflaumengroße Frucht und kam zu dem gleichen Ergebnis. Dann streckte er sich auf der Matratze aus. Seine Füße ragten über das Bettende hinaus. Eigentlich wollten Gamay und er sich nur etwas ausruhen, aber nach der anstrengenden langen Wanderung und der erfrischenden Dusche wurde die Müdigkeit übermächtig, und sie schliefen ein.
Als sie erwachten, sahen sie, dass eine der Dienerinnen im Schneidersitz auf dem Boden saß und sie beobachtete. Sobald sie sich regten, huschte die Frau lautlos aus dem Zimmer. Auf einem Tisch lag die Kleidung der Trouts, die kurz nach ihrer Unterbringung abgeholt worden war. Man hatte die durchgeschwitzten und fleckigen Shorts und T-Shirts gewaschen, getrocknet und ordentlich zusammengelegt. Paul sah auf die Uhr.
Sie hatten drei Stunden geschlafen. Eilig zogen sie sich an, zusätzlich beflügelt durch den Duft warmer Speisen, der ihnen in die Nasen stieg.
Tessa erschien und bat sie, ihr zu folgen. Dann führte sie die Trouts durch einen Flur in einen großen Raum, in dessen Mitte ein Tisch aus dunklem Holz sowie drei bezogene Hocker standen. Eine der Eingeborenen widmete sich soeben einem Keramikherd mit mehreren brodelnden Tontöpfen, deren Dämpfe durch Röhren in der Decke abgeleitet wurden.
Kurz darauf erschien auch die barfüßige weiße Göttin, die schon von weitem durch das leise Geklingel ihrer metallenen Armbänder und Fußkettchen angekündigt wurde. Um den Hals trug sie genau den gleichen Anhänger wie schon der tote Indio, und bekleidet war sie mit einem Zweiteiler aus Jaguarfell, der die Konturen ihres gebräunten Körpers vorteilhaft zur Geltung brachte. Sie hatte orientalische Augen und hohe Wangenknochen. Ihr von der Sonne honigblond gebleichtes Haar war nach hinten gekämmt und zu einer Ponyfrisur geschnitten, wie auch die einheimischen Frauen sie bevorzugten.
»Sie sehen deutlich erholter aus«, sagte sie und nahm ebenfalls am Tisch Platz.
»Die Dusche hat enorm dazu beigetragen«, sagte Gamay.
»Was für eine bemerkenswerte Konstruktion«, fügte Paul hinzu.
»Als Neuengländer muss ich Ihnen ein Kompliment für Ihren Einfallsreichtum machen.«
»Das war eines meiner ersten Projekte, vielen Dank. Das Wasser wird mit Hilfe einer Windmühle in einen Vorratsbehälter gepumpt, damit der Druck erhalten bleibt. Verbunden ist das Ganze außerdem mit einem belüfteten Röhrensystem in den Wänden dieses Hauses, das selbst an den heißesten Tagen für angenehme Kühlung sorgt. In Anbetracht der vorhandenen Materialien ist mir keine bessere Klimaanlage eingefallen.« Die Neugier ihrer Gäste war nicht zu übersehen. »Erst essen wir, dann können wir reden«, sagte sie.
Die Köchin servierte ihnen einen Eintopf mit Fleisch und Gemüse und dazu grünen Salat. Sämtliches Geschirr war blauweiß gefärbt. Gamay und Paul vergaßen vorübergehend alle Fragen und stürzten sich ausgehungert auf ihre Mahlzeit. Zu trinken gab es ein erfrischendes, leicht alkoholhaltiges Gebräu, und als Nachtisch wurde zuckersüßer Kuchen gereicht. Die Göttin betrachtete sie wohlwollend und freute sich über ihren Appetit.
»Und jetzt ist es an der Zeit, dass Sie für das Essen bezahlen«, verkündete sie lächelnd, nachdem der Tisch abgeräumt war.
»Sie müssen mir erzählen, was während der letzten zehn Jahre im Rest der Welt passiert ist.«
»Das erscheint mir nicht teuer für ein solches Mahl«, sagte Paul.
»Sie werden vielleicht anderer Meinung sein, wenn wir fertig sind. Bitte fangen Sie doch möglichst mit dem Gebiet der Wissenschaft an. Welche großen oder kleinen Fortschritte wurden im Verlauf des letzten Jahrzehnts erzielt?«
Gamay und Paul wechselten sich ab und schilderten ihr die Entwicklung der Computertechnik, die weitverbreitete Nutzung des Internets und der drahtlosen Kommunikation, die Missionen des Space Shuttle, die Reparatur des Hubble-Teleskops, die unbemannten Raumsonden, die meereskundlichen Entdeckungen der NUMA und die Erfolge der Medizin. Die Fremde lauschte ihnen gebannt und stützte dabei das Kinn auf die verschränkten Hände. Gelegentlich stellte sie eine vertiefende Frage, die ihre eigene
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