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Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Titel: Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Armbruster
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Israel 1981 annektierte, von den Machthabern in Damaskus weitestgehend respektiert, auch wenn Israel keine Anstalten macht, dieses besetzte Gebiet zurückzugeben. Alle Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Syrien sind bislang gescheitert. Syrien fordert verständlicherweise die Rückgabe des ganzen von Israel im Sechstagekrieg eroberten Golan. Für jede syrische Regierung ist dies eine Frage der nationalen Ehre. Oft ging es nur um die Rückgabe von wenigen Quadratkilometern am See Genezareth, über die man sich nicht hatte einigen können. Für Israel bedeutet der Golan Land, Wasser, aber auch Sicherheit. Gerade jetzt ist das Thema Sicherheit durch den Golan virulent, da heute noch niemand sagen kann, wie der immer mehr im Chaos versinkende Nachbar in ein paar Jahren aussehen wird. Gescheitert waren zuletzt auch die von der Türkei vermittelten, indirekten Gespräche. Dennoch war die Grenze zwischen Syrien und Israel mit die friedlichste und sicherste. Syrien war Israels bester Feind. Bis zum 15. Mai 2011.
    Damals ließ Baschar al-Assad kurz aber heftig die Muskeln spielen. Eine Drohgebärde in Richtung Israel. Am Gründungstag Israels schickte der syrische Präsident ein paar hundert palästinensische Jugendliche auf die Golanhöhen und ließ sie am Stacheldraht, der Syrien von Israel trennt, demonstrieren. Palästinenser begehen diesen Tag als ›Nakba-Tag‹, als »Tag der Katastrophe«. Mit Drahtscheren versuchten sie den Grenzzaun zu durchschneiden, das war offensichtlich ihr Auftrag. Die israelischen Grenzsoldaten feuerten zunächst Warnschüsse ab, dann schossen sie gezielt auf die Demonstranten. 10 junge Palästinenser starben, über die Zahl der Verletzten gibt es nur sehr voneinander abweichende Angaben. Auch im Südlibanon stürmten zur gleichen Zeit palästinensische Jugendliche die Grenze. Auch hier gab es Tote und Verletzte. Die gleiche Szene wiederholte sich drei Wochen später am 5. Juni, jenem Tag also, an dem sich der Beginn des Sechstagekrieges 2011 zum 44. Mal jährte. Wieder starben palästinensische Jugendliche beim Versuch, den israelisch-syrischen Zaun zu durchbrechen. Diesmal elf.
    Warum dieser widersinnige Sturm auf die Grenze des verhassten Feinds? Warum der mutwillige Bruch des Waffenstillstands? Warum wurden die jungen Menschen in den sicheren Tod geschickt? Denn es war ja absehbar, dass die israelischen Grenzposten bei einer Grenzverletzung scharf schießen werden. Eines steht fest: Der Angriff war alles andere als die spontane Demonstration empörter Jungpalästinenser. Niemand fährt mit Bussen auf den syrischen Teil des Golan ohne ausdrückliche Erlaubnis des syrischen Geheimdiensts. Im Libanon geschieht so etwas genauso wenig spontan wie in Syrien. Die britische Zeitung The Guardian ermittelte im Mai 2011, dass die libanesische Hisbollah den Jugendlichen fünfzig Dollar für den Sturm und noch einmal 900 Dollar bezahlt hatte, wenn sie durch israelische Schüsse verletzt wurden. Diese Attacken waren vom syrischen Regime geplant, offensichtlich gedacht als Warnung, Warnung an Israel, aber auch als Warnung an den Westen: »Wir sind in der Lage, euren engsten Verbündeten schnell in diesen Konflikt mit einzubeziehen. Und wir scheuen dafür auch keine Menschenopfer.« Das sollten die Attacken signalisieren.
    Mit der Ruhe an der ruhigsten Waffenstillstandsfront war es damit erst einmal vorbei. Israel stationierte zusätzliche Truppen auf dem Golan und bereitete sich auf einen nicht auszuschließenden Angriff Syriens mit Giftgas vor. Das Land soll den größten Vorrat an Chemiewaffen aller Länder des Nahen Ostens besitzen, gewissermaßen als Ausgleich zur israelischen Atombombe, so argumentieren zumindest die syrischen Strategen in Damaskus. Westliche Geheimdienste sahen im Frühjahr 2013 zwar keine unmittelbare Gefahr, doch können sie nicht ausschließen, dass das Assad-Regime diese Waffen im letzten Augenblick noch einsetzt, während seines Todeskampfs sozusagen. Oder es die Chemiewaffen der Hisbollah übergibt, die ja ohnehin für Israel eine ständige Bedrohung darstellt. Im Januar 2013 griffen israelische Kampfflugzeuge einen syrischen Waffenkonvoi an, der angeblich für die Hisbollah bestimmt war. Damaskus allerdings behauptete, die Kampfflugzeuge hätten ein militärisches Forschungszentrum zerstört und dabei zwei Arbeiter getötet. Im Mai 2013 wiederholt sich der Vorfall, gleichzeitig zerstören israelische Kampfflugzeuge ein militärisches Forschungslabor. Syrien und der

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