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Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Titel: Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Armbruster
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Tahrirplatzdemonstranten 2011 durchgesetzt hatten. Zwei Jahre später sehen nur wenige Ägypter in der Wiedergeburt dieser Prügelpolizei einen Rückschritt in Richtung des alten Regimes. Der zweite weitaus spektakulärere erfolgte dann am 22. August mit der Entlassung Mubaraks aus dem Gefängnis in einen komfortablen Hausarrest.
    Für die Zukunft Ägyptens und der Tahrirplatz-Aufstände heißt das alles nichts Gutes. Die korrupte Wirtschaftselite, die unter Mubarak groß geworden war, war nie wirklich weg gewesen, höchstens weggetaucht. Nach dem Putsch trauten sie sich wieder an die Oberfläche. Genauso wie die alten Parteigänger Mubaraks. Dieses »neue« Ägypten könnte so aussehen: ein demokratisch gewähltes Parlament, ein demokratisch gewählter Präsident, der eine Regierung einsetzt. Alle drei politischen Institutionen haben allerdings nur einen begrenzten Handlungsspielraum; denn im Hintergrund zieht das von niemandem kontrollierte Militär die Fäden. Ägypten also in Zukunft ein Militärstaat mit demokratischer Fassade? Vorübergehend möglicherweise ja, auf Dauer nicht unbedingt. Die Tahrirplatz-Jugend kennt ihre Stärke. Schon zweimal innerhalb von nur zweieinhalb Jahren haben sie den Sturz von zwei Präsidenten mitausgelöst. Sie wird sich diese Erfolge nicht nehmen lassen. Daher ist auch eher unwahrscheinlich, dass sich die Geschichte in Ländern wie Ägypten tatsächlich auf Dauer zurückdrehen lässt, auch wenn die ägyptische Konterrevolution das sicherlich will.
    Für die Muslimbrüder ist klar, der Putsch und ganz besonders der blutige 14. August zeige mal wieder drastisch die doppelte Moral des Westens. Der fordere zwar Demokratie in den arabischen Ländern, argumentieren sie, wenn es aber so weit sei, dann ließe er vielleicht zu, dass sie durch demokratische Wahlen an die Macht kommen, nicht aber an der Macht bleiben. Das »westlich-zionistische Komplott« habe sich gegen sie verschworen und lasse so lange wählen, bis die gewonnen haben, die ihm genehm seien. Die demokratisch gewählte Hamas habe der Westen weltweit isoliert. Und in Algerien hätte das Militär 1992 einen korrekten Wahlprozess mit Gewalt beendet, aus dem die Islamisten als Sieger hervorgegangen wären, auch dieser Putsch im Auftrag des Westens. »Der Mossad und der Westen sind an allem schuld«, ist ein weitverbreitetes Vorurteil im Nahen Osten nicht nur bei den Brüdern. Aber wie fast alle Verschwörungstheorien enthalten sie auch einen wahren Kern. Die Hamas wurde nach dem Wahlsieg tatsächlich international isoliert, und in Algerien fand der zweite Wahlgang auch auf Drängen Frankreichs nicht mehr statt.
    In Tunesien wird schon viel länger um eine Verfassung gerungen, als ursprünglich geplant. Dies immerhin ein Zeichen, dass die beteiligten Parteien, islamistische wie weltliche, sich nicht übertölpeln wollen oder können. Tunesien war immer weltlicher gesonnen als andere Länder in Nordafrika und der arabischen Welt. Die politischen Morde stellen das kleine Land allerdings vor eine Zerreißprobe.
    Dieses Zwischenergebnis beweist allerdings nicht, dass alle arabischen Rebellionen gescheitert sind, schon gar nicht, dass Araber Demokratie nicht können. Es beweist nur, dass es lange dauern wird, ehe sich das Neue dauerhaft durchsetzt. Die Ägypter und Tunesier haben immerhin gelernt, sich zu wehren und nicht jeden Unterdrückungsapparat hinzunehmen, sondern die Mauern der Angst einzureißen. Die Konflikte liegen offen, zum ersten Mal in der Geschichte dieser Gesellschaften.
    Auch daran waren die alten Gesellschaften, die sich die Mubaraks, die Ben Belas oder Gaddafis geformt hatten, auseinandergebrochen. Sie hatten bestehende Konflikte nur übertüncht. Nassarismus, Panarabismus, Panislamismus oder Baathismus à la Syrien stellten sich am Ende als nichts mehr heraus als ein Fassadenanstrich, mit dem diese Daueralleinherrscher ihren Gesellschaften ein uniformes Aussehen geben wollten. Wer dagegen aufmuckte, riskierte Kopf und Kragen. Wer arm war, hatte es zu bleiben ohne Wenn und Aber. Wer reich sein wollte, musste sich auf das Korruptionsspiel einlassen. Der Islam war und ist Staatsreligion, aber wehe, man nahm ihn wörtlich und versuchte sein Gerechtigkeitsgebot öffentlich einzuklagen.
    Der 14. Januar in Tunis und der 11. Februar 2011 in Kairo hatten diese Fehlfarben endgültig abplatzen lassen. Genauso der 17. März 2011 in Syrien. Unter der scheinbar glatten Oberfläche einer Einheitsgesellschaft werden Gräben und

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