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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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es den Stürmen möglichst geringen Widerstand bieten wollen, umgeben von einer eindrucksvollen Anzahl größerer und kleinerer Beete. Salat, Kartoffeln, verschiedenste Gemüsesorten, sogar Artischocken wuchsen dort, neben Lauch die große bretonische Spezialität unter den Gemüsen. Dupin aß sie in allen Varianten, mittlerweile am liebsten ganz bretonisch: mit einer Schnittlauch-Ei-Vinaigrette. Zwei große Kräutergärten schlossen sich an die Beete an. Irgendwie passte es nicht auf die Inseln, dass es überhaupt Erde gab, richtigen Boden, nicht nur Sand, Dünen, Gräser, Steine und Felsen.
    Dupin war ohne nachzudenken zunächst ins Quatre Vents gegangen, Louann Nuz hatte ihm dann mitgeteilt, dass ihre Mutter zu Hause sei.
    Er stand jetzt unmittelbar vor ihrem Haus. Alles wirkte sehr einfach. Es gefiel ihm. Vergeblich suchte er eine Klingel. Die massive Holztür mit den eisernen Einfassungen und Scharnieren stand halb offen. Er streckte sich ein wenig, um nicht zum Klopfen schon eintreten zu müssen.
    »Hallo? Madame Nuz?«
    Keine Antwort. Dupin klopfte und rief etwas lauter.
    »Hier Commissaire Dupin.«
    Wieder keine Reaktion.
    Dupin überlegte gerade, was er tun sollte, als Pascal Nuz wie aus dem Nichts neben ihm auftauchte.
    »Sie ist im Meer. Muschelfischen.«
    Dupin wäre fast zusammengeschreckt. Der Schwiegervater musste draußen im Garten gewesen sein.
    »Ich würde sie gern sprechen.«
    Der Satz hatte sehr elementar geklungen, merkte Dupin.
    »Sie finden sie am großen Strand.« Mit der rechten Hand machte Pascal Nuz eine ungenaue Geste Richtung Westen.
    »Ich werde sie suchen. Vielen Dank, Monsieur.«
    Dupin fand einen aufwendigen Zickzackweg durch die Beete, ging um das Haus herum und befand sich kurz darauf auf der flachen Düne direkt vor dem großen Strand.
    Es herrschte tiefste Ebbe, der Strand zog sich weit hinab ins Meer, eine glatte, ebene Fläche, nach jeder Flut von Neuem perfekt. Die oberste, feinste Sandschicht war von der Sonne schon getrocknet worden und hatte ihr makelloses, blendendes Weiß zurückgewonnen, sie war noch dünn, darunter schimmerte hier und dort der nasse Sand wie Pergamentpapier. Dupin hielt Ausschau und entdeckte Solenn Nuz im Nordwesten. Man sah nur ihre Silhouette. Sie war der einzige Mensch weit und breit, in einer Landschaft, die einen großen Teil des Tages dem Meer gehörte (Dupin verstand, warum ihr Schwiegervater »im Meer« gesagt hatte). Sie lief langsam auf das Ende der Ebbelandschaften an der nördlichen Spitze der Insel zu. Dupin setzte sich in Bewegung. Es war weiter, als er gedacht hatte.
    Solenn Nuz bemerkte ihn erst, als er schon ziemlich nahe herangekommen war. Er hatte nicht gerufen. Auf einmal drehte sie sich zu ihm um. Über beide Schultern hingen dunkelgrüne Plastikkörbe, die aussahen wie geflochten, in der rechten Hand hielt sie eine kleine Schaufel mit langem Stiel.
    Sie lächelte, als sie den Kommissar sah, das ruhige, schöne Lächeln, das er kannte. Erst als er direkt vor ihr stand, sprach sie.
    »Es ist Saison. Palourdes, Praires, Coques. Und Ormeaux. – Die Palourdes liegen im Sand, die Ormeaux an den Felsen, in den Spalten, wo die Algen sind«, sie zeigte Richtung Bananec, dorthin, wo bei Ebbe die imposanten Felslandschaften begannen.
    »Die Palourdes verbergen sich zehn Zentimeter tief im Sand. Man muss wissen und erkennen, wo sie zu finden sind«, sie sprach ganz in sich ruhend, wie in den vergangenen Tagen, »ich habe es von meiner Mutter gelernt. Es gibt nur wenige Hinweise. Wollen Sie sehen, wie man sie findet?«
    »Zeigen Sie es mir.«
    Dupin sprach ebenso ruhig.
    »Sie müssen nach kleinen Löchern im Sand suchen, in Form einer Acht, das sind die weiblichen Palourdes. Und dann nach zwei noch kleineren, gleich großen Löchern in einem Abstand von zwei bis drei Zentimetern, das sind die größeren, männlichen.«
    Solenn Nuz’ Blick hatte den Dupins einmal kurz gestreift. Jetzt war ihr Kopf wieder gesenkt, der Blick professionell auf den Meeresboden fixiert.
    »Und dann gehen Sie mit der Hand vorsichtig in den Sand und ertasten die Muschel. Und holen Sie hervor.«
    Dupin lief neben ihr.
    »Mögen Sie Palourdes? Oder Ormeaux – die Perlmuttmuscheln?«
    »Sehr.«
    Dupin liebte in der Tat beide Muschelarten, die köstlichsten Palourdes gab es im Amiral – mit Kräuterbutter und gebröseltem Weißbrot überbacken. Und er musste zugeben, dass es ihn noch heute glücklich wie ein Kind machte, wenn er eine Ormeau, eine unversehrte

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