Bretonische Brandung
habe ein paarmal mit Nolwenn telefoniert. Einfacher würde es, wenn wir hier etwas fänden. Es war schon ein Wunder, dass wir den Durchsuchungsbefehl überhaupt bekommen haben.«
»Melden Sie sich, sobald es etwas Neues gibt. Eines noch: Rufen Sie Riwal an, und sagen Sie ihm, jemand soll zu Muriel Lefort gehen und fragen, ob sie noch im Besitz von Waffen aus der Résistance ist, von ihren Eltern – sie oder vielleicht ihr Bruder …«
»Mache ich …«
Es war zu hören, dass Kadeg noch etwas sagen wollte. Dupin wusste auch, was: Er würde wollen, dass Dupin ihn auf den Stand der Dinge brachte.
»Ich melde mich, Kadeg. Und erzähle dann.«
Dupin hatte aufgelegt. Er wollte endlich Nolwenn sprechen. Er versuchte es erneut. Und endlich kam er durch.
»Ich habe einige Informationen, Monsieur le Commissaire.«
Sie waren am Flughafen angekommen. Dupin stieg aus, das Handy am Ohr.
»Ich habe mir die Akte zum Unfall von Jacques Nuz genauestens angesehen. Die Geschichte beginnt genauso wie die Geschichte am Sonntag. Es ist erstaunlich. Die Glénan, ein wunderschöner Frühsommertag. Dann zieht ein Sturm auf. Jacques Nuz hat auf dem Festland Dringendes zu tun und will noch vor dem Sturm hinüberfahren. Er verlässt laut Aussage seiner Frau Solenn Nuz die Insel um halb drei. So das Protokoll. Am nächsten Morgen meldet sie ihn bei der Polizei in Fouesnant vermisst. Umgehend wird eine Suchaktion mit Booten und Hubschraubern eingeleitet. Er wird nie mehr gesehen, sein Leichnam nie entdeckt, nur vom Boot hat man zwei Tage später Teile gefunden. Ziemlich weit im Osten. Über den Unfall selbst weiß man nichts.«
»Am nächsten Morgen?«
»Bedenken Sie, dass Mobiltelefone damals hier noch nicht verbreitet waren.«
Dupin stand immer noch neben dem Wagen. Nur einige Meter vom Hubschrauber entfernt. Der Pilot saß bereits im Cockpit. Dupin machte eine vage Geste, die bedeuten sollte: einen Augenblick noch.
»Und?«
»Jetzt kommt es: Mit Jacques Nuz verlassen noch zwei weitere Boote Saint-Nicolas, eines unmittelbar nach ihm und eines noch einige Minuten später. Und raten Sie einmal, wem diese Boote gehörten.«
Das war eine rein rhetorische Frage.
»Lucas Lefort und Devan Le Menn! Und es kommt noch besser, wissen Sie, wer bei Lefort an Bord war?«
»Yannig Konan.«
Dupin hatte eher gemurmelt als geantwortet. Er schauderte.
»So ist es. Natürlich hat man Lefort und Konan nach dem Verbleib von Jacques Nuz befragt. In den Akten sind die Aussagen dokumentiert. Nuz wollte nach Fouesnant, wo Solenn und er noch eine kleine Wohnung hatten. Lefort und Konan nach Sainte-Marine. Zunächst ist es derselbe Kurs.«
»Und Le Menn?«
»Der hat ebenfalls ausgesagt, nichts gesehen zu haben. Weder von Nuz’ Boot noch von Leforts Boot.«
»Und andere Boote? Waren noch andere unterwegs, gibt es weitere Zeugen?«
»Sonst ist niemand aufgeführt. Jeder vernünftige Mensch wäre entweder rechtzeitig aufgebrochen – oder aber an Ort und Stelle geblieben.«
»Und es gibt keinerlei Hinweise, was passiert ist? Ist Nuz auf einen Felsen gelaufen? Gekentert? Was für ein Boot hatte er?«
»Die Teile, die man gefunden hat, ließen keine Rückschlüsse zu, obwohl man sie eingehend untersucht hat. Die Berichte sind alle beigefügt. Es war eine Jeanneau, fast vierzig Jahre alt, aber in gutem Zustand, so die Aussagen von Solenn Nuz und einigen anderen. Nichts hat auf die Möglichkeit eines Defektes des Bootes hingedeutet.«
»Hm.«
Dupins Gehirn lief auf Hochtouren.
»Man muss immer im Hinterkopf behalten: Solche Unglücke kommen hier nicht selten vor, Monsieur le Commissaire – und es gibt nur in den allerseltensten Fällen Hinweise auf den Hergang.«
Der Hubschrauberpilot machte nun seinerseits ein Zeichen, das Dupin als Aufforderung verstand, einzusteigen. Reglas und sein Team warteten. Dupin interessierte das zwar weniger, aber er hatte es nun selbst eilig, zurück auf die Inseln zu kommen. Zu einer – sehr wichtigen Unterhaltung. Was er gerade gehört hatte, war in der Tat hochinteressant. Aber er verstand die Geschichte immer noch nicht, auch wenn er sich sicher war, dass sie der Schlüssel war. Der Schlüssel zu allem.
Das kleine steinerne Haus von Solenn Nuz lag – vom Quai aus gesehen – auf dem hinteren Teil der Insel, wo das wild ins Meer gestreute Stück Land am breitesten war. Am westlichen Strand der Insel, dem schönsten, dem, der am meisten Karibikflair besaß. Das Haus war so flach gebaut, dass es aussah, als würde
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