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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Bemerkenswert war nur, wie rasant das hier auf den Inseln geschah. Monsieur Tanguy musste auch dieses Mal den verblüfften Ausdruck auf Dupins Gesicht bemerkt haben.
    »Die Leute am Quai. Sie haben gesagt, dass einer der Toten Lucas Lefort ist.«
    So war es.
    »Ich danke Ihnen noch einmal. Sie sind uns wie gesagt eine große Hilfe.«
    »Das Meer ist unberechenbar.«
    Der Taucher hatte den Satz gar nicht zu Dupin, sondern eher vor sich hin gesprochen. Dupin nahm an, er meinte das atlantische Mantra.
    »Halten Sie mich jederzeit auf dem Laufenden, Goulch.«
    »Natürlich, Monsieur le Commissaire.«
    Riwal und Kadeg stellten sich rechts und links neben den Kommissar.
    »Und jetzt?«
    Kadeg brachte es tatsächlich fertig, in zwei noch so banale Worte einen süßlich-genüsslich sarkastischen Tonfall zu mischen.
    »Und jetzt was?«
    »Was machen wir jetzt?«
    Das Dumme war: Kadegs Frage war berechtigt. Die Lage hatte sich, so wie es aussah, gehörig verändert. Die formulierten Arbeitsaufträge waren größtenteils hinfällig. Das Geschehen schien jetzt zu einem großen Teil rekonstruierbar. Es war ein Bootsunglück gewesen. Und wenn sie wussten, auf wen das Boot gemeldet war, würden sie höchstwahrscheinlich die Identität des dritten Mannes kennen. Womöglich auch schon vorher. Durch ein paar Gespräche im Quatre Vents. Zuallererst mit Solenn Nuz. Dann wäre nur noch zu klären, warum sie alle auf diesem Boot gewesen waren, der genaue zeitliche Ablauf, solche Dinge. Mit den abgeschlossenen Autopsiebefunden Savoirs hätten sie dann alle Fakten beisammen, um dem Präfekten einen befriedigenden Bericht vorlegen zu können. Es blieb der vermisste Angler aus Île-Tudy – wahrscheinlich einfach ein zweiter Unfall.
    Es gab jetzt wirklich nicht mehr viel, was sie auf der Insel noch tun konnten.
    »Kadeg, Sie gehen mit auf die Bir, dann können Sie sofort vom Boot aus versuchen, den Besitzer des gesunkenen Schiffs zu ermitteln. Mit höchster Priorität. Und Riwal, Sie kommen mit mir. Und …«
    Dupins Handy klingelte.
    »Hier Muriel Lefort. Ich möchte mich für mein Indisponiertsein eben entschuldigen. Ich weiß, dass es für Sie wichtig ist, bestimmte Dinge rasch in Erfahrung zu bringen. Und ich möchte gern behilflich sein.«
    Muriel Lefort hatte in erheblichem Tempo gesprochen. Ohne erkennbare Gefühle. Dupin kannte solche Reaktionen, sie waren im ersten Schock nicht selten. Aber »gezeigte« oder »nicht gezeigte« Gefühle waren, wusste er, ohnehin kein Anhaltspunkt. Dupin war ein paar Schritte beiseitegetreten und stand jetzt neben dem ersten der beiden Austernbecken.
    »Ich fühle mich bereit, die Identifizierung meines Bruders vorzunehmen. So schnell wie möglich.«
    »Ich werde umgehend veranlassen, dass der Hubschrauber Sie abholen kommt.«
    Muriel Lefort machte eine längere Pause.
    »Meine Assistentin wird mit mir kommen.«
    »Natürlich. Ich werde auch einen meiner Inspektoren bitten, mit Ihnen zu fliegen.«
    »Vielen Dank.«
    »Und sobald Sie zurück sind, würde ich Sie gerne noch einmal sprechen.«
    »Ich rufe Sie an.«
    Sie legten auf. Dupin hatte kurz erwogen, ihr von dem gefundenen Boot zu erzählen, es aber dann gelassen. Er wollte ganz sicher sein.
    Er hatte das Telefon noch am Ohr, als der füchterliche Klingelton ihm erneut tief ins Trommelfell fuhr.
    »Ja?«
    Er hatte fast gebrüllt.
    »Auch Yannig Konan ist ertrunken. Auch das eindeutig. Tod durch Ertrinken.«
    »Ich …«
    »Wir öffnen jetzt den Brustkorb des dritten Mannes. Ich melde mich.«

Savoir hatte schneller aufgelegt, als Dupin reagieren konnte.
    Er sah, dass Riwal mit Kadeg auf die Mole gegangen war. Er folgte ihnen. Kadeg sprang an Bord der Bir und stellte sich vorn in den Bug zu Goulchs Kollegen. Die Motoren liefen bereits.
    »Riwal?«
    »Ja, Chef?«
    »Sie begleiten Madame Lefort zu der Identifizierung. Sagen Sie Savoir Bescheid. Er wartet bereits. Sie treffen Madame Lefort hinter dem Gebäude der Segelschule.«
    »In Ordnung, Chef.«
    »Rufen Sie mich danach an.«
    Dupin machte kehrt und lief die alten rostigen Schienen entlang, die vom Quai direkt zur Bar führten.
    Im Quatre Vents saßen mittlerweile alle drinnen, die Terrasse war vollkommen verwaist. Auch wenn die Sonne immer noch ziemlich hoch stand, war es »etwas frisch« geworden – und für Bretonen, hatte Dupin in den letzten Jahren nicht unamüsiert festgestellt, war alles unter fünfzehn Grad »etwas frisch«, was bedeutete, dass es naturgemäß auf ihrem Breitengrad und in

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