Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
Vom Netzwerk:
das eigentlich nur gesagt, um Kadeg etwas entgegenzuhalten, aber plötzlich schien es ihm selbst sehr schlüssig.
    Riwal übernahm wieder:
    »Alle Stammgäste kannten Konan, er war wohl regelmäßig mit Lefort hier. Aber keiner weiß Näheres über ihn, nur ein paar allgemeine Dinge, die wir auch schon wissen. Alle wussten, dass er ein passionierter Angler ist. Madame Barrault, die Tauchlehrerin, kennt sein Boot und sagt, sie sei Lefort und ihm auch ein paarmal auf See begegnet. In der Nähe der Moutons. An den Stellen, wo die Makrelen sind. Niemand kannte ihn gut genug, um von eventuellen Konflikten gehört zu haben. Er war für alle ausschließlich ›Leforts Freund‹.«
    »Kadeg, ich will, dass Sie morgen früh als Erstes Konans Frau besuchen. Der Präfekt hat persönlich mit ihr telefoniert. Ihre Ehe war wohl am Ende.«
    Kadeg empfand das offensichtlich als einen angemessenen Auftrag.
    »Mache ich. Ich habe gegen zweiundzwanzig Uhr mit Pajots Sekretärin in Paris telefoniert. Sie war entgeistert. Wir werden morgen früh noch einmal miteinander sprechen. Er hatte keine Geschwister, und die Eltern leben beide nicht mehr. Sie wollte sich aber noch einmal umhören, ob jemand anderes etwas weiß. Sie sagte, er sei ein eher ›distanzierter Mensch‹ gewesen. Sie wusste nicht viel über sein Privatleben.«
    »Die sensationellen Nachrichten sind in der Welt, wir werden bald wissen, ob es weitere Familie gibt. Wenn ja, werden Sie anrufen und sich beklagen, dass man sie nicht informiert hat.«
    Es klang zynischer, als Dupin beabsichtigt hatte.
    »Wir machen Schluss für heute.«
    Riwal blickte deutlich erleichert. Und sogar Kadeg schien nicht unfroh.
    »Hat irgendjemand bei Ihnen etwas von einer Schatzsuche erwähnt?«
    Die beiden blickten Dupin verdutzt an.
    »Irgendetwas von einem versunkenen Schiff, einer Entdeckung, Bergung?«
    »Ich – nein.«
    »Bei mir auch nicht.«
    Beide Inspektoren schienen zu einer Nachfrage zu müde. Und Dupin hatte auch keine Lust auf weitere Erläuterungen.
    »Wir brechen auf.«
    Das war ein Befehl gewesen.
    Um Punkt 23 Uhr 25 hatte der Hubschrauber abgehoben.
    Die drei Polizisten vom Commissariat de Concarneau saßen eng angeschnallt in ihren Sitzen – Dupin besonders eng –, jeder ganz für sich, in Gedanken den Ereignissen dieses seltsam dramatischen Tages nachhängend. Dupin fiel etwas ein, was man an der Küste über die Glénan sagte: Die Zeit dehnte sich auf den Inseln aus. Sobald man dort war, im Bann dieser Welt. Hier konnte mehr geschehen als überall sonst; in einer Minute, einer Stunde, an einem Tag. So fantastisch es auch klang, er empfand es genau so.
    Der Hubschrauber warf einen bizarren Schatten auf das silberne Meer, es sah aus wie in einem surrealistischen Film. Einige Male meinte Dupin, den Schatten eines Raubvogels im Sturzflug zu sehen, so deutlich plötzlich, dass ihm unheimlich zumute wurde.
    Gleich würden sie das Festland erreichen, die Lichter Sainte-Marines und Bénodets glitzerten bereits vor ihnen. Es war merkwürdig, es schien, als würden sie flirrend eine elementare Grenze markieren: hier das eigentümliche Reich der Glénan und des Atlantiks, dort die gewöhnliche Welt, die Wirklichkeit. Dupin war froh, aber auch ein wenig melancholisch. Und er verstand bei beiden Gefühlen nicht genau, warum. Er war, ausgelöst durch die monotonen Geräusche der Rotoren, die von den Kopfhörern verblüffend gut gedämpft wurden, ein paarmal fast eingenickt. Der Versuch, doch noch einige Gedanken voranzutreiben, hatte ihn allerdings wach gehalten. Außerdem wäre er nie vor seinen Inspektoren eingenickt! Höchstens vor Riwal.
    Gleich würden sie festen Boden unter den Füßen haben. Er würde in seinen Citroën steigen, viel zu schnell fahren und dreißig Minten später in Concarneau sein. In seinem Amiral. Er würde auf dem großen Platz direkt am Quai parken – und alles wäre erst einmal gut. Für einen kurzen Moment. Es würde nach dem Betreten der Bar keine fünf Minuten dauern und das Entrecôte würde vor ihm stehen, da hätte er sein erstes Glas Languedoc schon getrunken.

DER ZWEITE TAG
    Es war halb sieben. Immer noch dunkel, der Mond war längst untergegangen. Ganz im Westen der »vereinheitlichten« europäischen Standardzeitzone – die Bretonen sahen auch das als eine kleine Okkupation an – wurde es Anfang Mai erst um sieben Uhr hell. Kommissar Georges Dupin saß im Le Bulgare und trank seinen zweiten café, einen dritten hatte er eben bei der energisch

Weitere Kostenlose Bücher