Bretonische Brandung
Sie nicht.«
»Es gibt eine beträchtliche Anzahl von Schatzsuchern, auch einige richtig professionelle. Ein paar Firmen sogar. Die meisten sind aber Amateure. Auf den Glénan gibt es eine Vereinigung von Unterwasserarchäologen, die sich im Tauchklub organisiert hat. Wollen Sie etwas Bestimmtes wissen? Sehen Sie eine Verbindung zu den Morden?«
»Ich weiß es nicht.«
Es klang immer noch absurd.
»Wie würde man herausbekommen, ob irgendjemand eine heiße Spur hat? Hier bei den Glénan.«
»Gar nicht, vermute ich. Darüber würde niemand ein Sterbenswörtchen verlieren. Es sei denn, die echten Archäologen des Tauchklubs wären beteiligt, die Université de Brest oder so. Aber auch für die würde ich nur bedingt meine Hand ins Feuer legen.«
So war es höchstwahrscheinlich. Wenn es um einen echten Schatz ginge, würde niemand etwas ausplaudern.
»Sie haben recht, Nolwenn.«
Er hatte eigentlich nicht vorgehabt zu fragen, aber nun rutschte es ihm doch heraus.
»Hier liegen römische Galeeren?«
»Sehr viele davon! In diesen Gewässern haben wir uns die entscheidende Seeschlacht gegen Julius Cäser geliefert. Eine unfaire Schlacht! Wir hatten ihn um siebenundfünfzig vor Christus verheerend geschlagen, zu Land, Mann gegen Mann! Dann verkrochen sich die Römer ein Jahr lang und ließen in der Loire-Mündung Hunderte Kriegsschiffe bauen. Eine gigantische Übermacht. Und doch wurde es nur ein knapper Sieg.«
Dupin hatte eine empfindliche Wissenslücke offenbart, und leider war ihm bei der Geschichte eingefallen, dass Nolwenn ihm diese Episode im Zuge der »bretonischen Lektionen« schon einmal erzählt hatte. Er hoffte, sie würde es ihm durchgehen lassen.
»Ich sehe jetzt noch Riwal und Kadeg, dann machen wir Schluss für heute. Ich werde mich morgen früh melden.«
»Wie kommen Sie aufs Festland zurück? Soll ich mich darum kümmern?«
Dupin war erleichtert, dass Nolwenn von den Römern abgelassen hatte.
»Ein Hubschrauber befindet sich noch auf Saint-Nicolas. Denke ich.«
Dupin fiel ein, dass er das nur vermutete. Aber er hätte gehört, wenn er weggeflogen wäre. Vielleicht nicht, als er bei Muriel Lefort zu Hause war.
»Hoffe ich sehr.«
»Gut. – Und lassen Sie sich nicht beirren, Monsieur le Commissaire.«
»Danke, Nolwenn. Bonne nuit.«
Dupin war längst am Quatre Vents angekommen.
Riwal und Kadeg saßen an einem Tisch nahe der Tür, beide drehten Dupin die Köpfe zu und nickten, als er eintrat. Sie sahen erledigt aus, Kadeg noch mehr als Riwal, obgleich er gerade eben noch so eifrig geklungen hatte. Solenn Nuz war nicht zu sehen.
Dupin setzte sich wortlos zu ihnen. Riwal schob ihm eine aus vier DIN-A4-Blättern zusammengeklebte Skizze des Raums zu, mit dem Tresen, sauber gezeichneten Tischen und durch Kreise markierten Personen.
»Wir haben neunzehn Gäste von gestern Abend ermittelt. Darunter sieben Gäste, die häufig kommen und hier bekannt sind. Der Rest sind Segler und Taucher.«
Dupin beugte sich über die Skizze. Dann holte er sein Notizbuch heraus.
»Die Stammgäste?«
»Madame Menez, die Assistentin der Segelschule; Marc Leussot, ein freier Journalist vom Ouest France, er war eben auch da, wir haben mit ihm gesprochen; Kilian Tanguy, der Taucher, und seine Frau – wir haben bei allen die Zeiten notiert, wann sie gekommen sind und wann sie gegangen sind«, Riwal zeigte auf winzige, penibel notierte Zahlen in den Kreisen, »dann Du Marhallac’h, der Bürgermeister, mit dem wir ebenso bereits gesprochen haben; Madame Barrault, die Tauchlehrerin und Chefin der Tauchschule.«
Dupin ächzte leise. Es erging ihm manchmal so, dass er sich – aus verschiedenen Gründen – eigentlich für seinen Beruf ungeeignet fand. Dass er immer schon beträchtliche Schwierigkeiten gehabt hatte, sich Namen zu merken, war einer davon, ein gravierender. Personen und Gesichter hingegen konnte er sich problemlos merken.
»Das sind doch einige.«
»Hinzu kommen zwei Personen, die nur kurz da waren, Madame Lefort und ein Arzt, Docteur Devan Le Menn, ein Allgemeinmediziner.«
»Von dem hat noch niemand erzählt.«
»Ja, das ist ein wenig merkwürdig. Nur die beiden Nuz-Töchter erinnern sich an ihn. Niemand sonst. Sie sagen, dass er auch mit Lefort gesprochen hat. Die beiden denken, dass er nur kurz da war, zehn Minuten vielleicht. Gegen Viertel nach acht.«
»Docteur Le Menn ist der Name?«
»Ja. Er hat seine Praxis in Sainte-Marine.«
»Und er war heute Abend nicht da?«
»Nein.«
»Sonst
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