Bretonische Brandung
irgendwelche Anhaltspunkte?«
»Noch nicht.«
Das war mager. Die Ausbeute war wirklich bescheiden.
»Wir sind mit der Liste weiter, als ich vermutet hätte, Chef.«
Riwal hatte den Satz wohl gegen die eigene Müdigkeit gesagt und um die Stimmung nicht schlecht werden zu lassen.
»Ist Madame Nuz in der Küche?«
»Sie ist vor etwa zehn Minuten gegangen. Sie wollte lieber morgen früh aufräumen.«
»Hat Sie Ihnen die Schlüssel gegeben?«
»Wir sollen einfach das Licht ausmachen und die Tür hinter uns schließen, hat sie gesagt. Und sie lässt Sie herzlich grüßen.«
Dupin musste unwillkürlich lächeln.
»Machen wir es kurz, es ist schon spät.«
Er hatte den Satz noch nicht beendet, als ihm eine Idee kam.
»Riwal, der Hubschrauber ist doch hier auf Saint-Nicolas, oder?«
»Ja, Monsieur le Commissaire. Ich hatte Anweisung gegeben, hier zu warten. Ich nahm an, das sei Ihnen recht. Goulch ist mit dem Boot bereits los.
»Sehr gut.«
Dupin überlegte, dass es besser wäre, kurz rauszugehen.
»Ich bin sofort wieder da.«
Er verließ die Bar und schloss die Tür sorgfältig hinter sich. Dann fingerte er sein Handy hervor.
» Amiral, Bonsoir.«
»Bonsoir, ist Paul da?«
»Einen Augenblick.«
Es dauerte wirklich nur einen Augenblick, und Paul Girard, der Eigentümer des Amiral, war am Apparat. Dupin mochte ihn sehr, es war über die Jahre fast so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entstanden, da er jeden Tag mit einem café im Amiral begann und ihn zumeist auch abends dort beendete. Sie redeten nicht viel, aber es hatte sich ein stilles Einvernehmen zwischen ihnen aufgebaut.
»Georges hier.«
»Wir haben von den Ereignissen gehört. Mon Dieu.«
Dupin wusste, dass er über den Fall kein Wort mehr verlieren musste. Das war großartig.
»Ich komme noch vorbei, aber es wird spät.«
Eigentlich schloss das Amiral spätestens gegen halb eins. Aber Girard kannte das: Während eines Falles wurde es gelegentlich sehr spät.
»Ich sag dem Koch Bescheid. Wie immer.«
»Wie immer« bedeutete: ein großes Entrecôte, Pommes frites, ein schwerer roter Languedoc, Château Les Fenals.
»Wunderbar.«
»Bis gleich.«
Dupin fühlte sich schon ein ganzes Stück besser. Psychisch. Er hatte wieder Halt.
Er kehrte ins Quatre Vents zurück. Riwal und Kadeg starrten ihn fragend an.
»Sehr gut, meine Herren. Wir werden morgen früh zeitig beginnen. Sagen wir: Treffen um acht hier. Wir werden die nächsten Tage beide Boote brauchen, Goulch und seine Truppe – und die Luc’hed. Zudem sollten die Hubschrauber permanent zur Verfügung stehen. – Wir müssen auf alles schnell reagieren können, es darf keine Rolle spielen, dass wir uns hier mitten im Nichts befinden.«
Dupins Ton hatte nun fast etwas Heiteres, was ihn selbst amüsierte.
»Dann treffen wir uns morgen früh um halb acht am Flughafen in Quimper?«
»Korrekt, Kadeg.«
Die Aussicht, gleich zusammen mit einem Entrecôte im Amiral zu sitzen, gab Dupin neue Energie.
»Haben wir schon mehr über Konan oder Pajot erfahren? Wir dürfen keinesfalls den Fehler machen, uns übermäßig auf Lefort zu kaprizieren, das wäre fahrlässig.«
Er war nicht sicher, ob er selbst glaubte, was er sagte.
»Wir müssen uns auch auf die Frage konzentrieren, welche Verbindungen es zwischen den dreien gab – was sie gemeinsamen unternommen, geplant haben, was auch immer. Ob es jemand auf alle drei zusammen abgesehen hatte. Dasselbe gilt für alle Zweierkombinationen: Lefort – Pajot, Pajot – Konan, Lefort – Konan. Dass der Mordanschlag nur einer Person gegolten haben könnte, ist«, Dupin brach kurz ab und runzelte die Stirn, »am unwahrscheinlichsten. Aber natürlich nicht auszuschließen.«
»Von den Gästen, mit denen wir heute Abend gesprochen haben, kannte niemand Monsieur Pajot persönlich, auch von den Stammgästen niemand. Monsieur Du Marhallac’h kannte den Namen, die anderen nicht einmal das – selbst Madame Nuz nicht«, berichtete Riwal. Auch er sprach von Solenn Nuz wie von der letzten Instanz aller Dinge.
Jetzt mischte sich auch Kadeg noch einmal mit eifrigem Gesicht ein.
»Wir haben das Foto von Pajot gezeigt, aber keiner hat ihn auf den Inseln gesehen, nirgendwo. Ein wenig mysteriös.«
»Er wird vielleicht auf seinem Boot gewesen sein. Das wäre doch nicht ungewöhnlich. Das Boot war groß genug, um darauf komfortable Abende verbringen zu können.«
Kadeg blickte auf seine typisch kindische Art beleidigt. Dupin hatte
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