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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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vorbeizugehen. Er hatte Zeit, ein paar Anrufe zu machen. Er würde zu seiner verborgenen Bank gehen, da war er für sich. Es war nicht weit.
    Wieder war kein Mensch zu sehen, sobald er vom Weg abbog. Er blieb vor der Bank stehen, direkt am Wasser. Er beobachtete die Stromschnellen. Zwei Forellen, die hin und her flitzten. Wenn man einen Augenblick vergaß, dass man nur ein paar Meter vom Atlantik entfernt war, sah es hier genauso aus wie in dem kleinen Dorf, aus dem sein Vater kam – am anderen Ende Frankreichs, in den beginnenden Bergen, mitten im Jura. Das hatte er vorhin schon gedacht. Der Doubs war ein kleiner Fluss in Orgêt, ganz so wie der Aven hier. Es war dieselbe Atmosphäre, es war wirklich eigenartig. Sein Vater, Gaspard Dupin, hatte den kleinen Ort geliebt, auch noch als er schon lange in Paris lebte und mit Anna, einer großbürgerlichen Pariserin, verheiratet war, die pariserischer gar nicht sein konnte und, bis heute, lieber sterben würde, als Paris zu verlassen. Mit siebzehn hatte Gaspard den Hundertseelenort am Rande der Berge verlassen, war in die Hauptstadt gegangen und dort in den Polizeidienst eingetreten, wo er es, in beachtlichem Tempo, bis zum Hauptkommissar gebracht hatte. Dupin hatte nicht viele Erinnerungen an seinen Vater, er war mit einundvierzig Jahren gestorben, ein Herzanfall, da war Dupin sechs gewesen; aber er erinnerte sich, wie sie zusammen Forellen angeln waren, im Doubs.
    Dupin merkte, dass er abschweifte. Er holte sein Handy hervor. Riwal war sofort am Apparat.
    »Monsieur le Commissaire?«
    »Ich komme vom Essen mit Beauvois.«
    »Und?«
    »Ich weiß nicht so recht.«
    »Ein komischer Kauz, denke ich. Und nicht ungefährlich. Was Sie noch wissen sollten: Die Pennecs möchten Sie noch einmal sprechen. Sie haben am späten Vormittag angerufen und um ein rasches Treffen gebeten. Und der Bürgermeister von Pont Aven war hier, Monsieur Goyard. Zudem hat der Präfekt versucht, Sie zu erreichen, er sagte, es sei dringend.«
    »Was meinen Sie mit ›nicht ungefährlich‹?«
    »Ich – ich verstehe Sie wieder so schlecht. Es ist laut bei Ihnen – sind Sie wieder am Fluss?«
    Dupin antwortete nicht, sondern wiederholte nur seine Frage, ein ganzes Stück lauter.
    Riwal schwieg länger.
    »Ich weiß nicht.«
    Dupin fuhr sich durch die Haare. Er wusste, dass es – sprach Riwal Sätze auf diese Art – keinen Sinn machte nachzufragen. Aber es machte ihn verrückt. Jedes Mal, wenn sie in einem komplizierten Fall steckten, diese plötzlichen mysteriösen Sätze – und nie eine Erklärung. Dupin konnte nicht abstreiten, dass sie, ganz gegen seinen Willen, eine Wirkung auf ihn hatten.
    »Und bei Kadeg und Ihnen, wie gehen Ihre Ermittlungen voran?«
    »Wir sind weitergekommen mit den Telefonlisten. Ich meine, mit dem allgemeinen Anschluss, die Anrufe, die von hier ausgegangen oder eingegangen sind. Wir haben die Anrufe nach Radien, Distanzen und Regionen geordnet. Zwei Drittel gingen nach Pont Aven und in die Region. Die meisten davon nach Quimper und Brest. Und wir haben viele Anrufe nach Paris, meistens private Anschlüsse. Gäste wahrscheinlich. Die meisten der Gäste des Central kommen aus Paris. Dann ein paar andere Anrufe nach Paris. Drei Mal mit dem Ministerium für Tourismus. Mit einer Firma, die Küchen vertreibt, auch drei Mal. Zwei Mal mit dem Musée d’Orsay .
    »Dem Ministerium für Tourismus und dem Musée d’Orsay ?«
    »Ja.«
    »Warum das?«
    »Wir wissen es noch nicht.«
    »Versuchen Sie es herauszufinden. Ich will wissen, wer da vom Hotel aus angerufen hat. Und warum.«
    Dupin kannte das Musée d’Orsay , gut sogar. Eine Freundin hatte dort lange Zeit gearbeitet, jetzt war sie in Arles. Er war oft da gewesen. Er liebte es.
    »Wann waren diese Anrufe?«
    »Beide Dienstag, einmal morgens, um halb neun, einmal um halb zwölf.«
    »Gut. Ich komme gleich noch einmal ins Hotel. Aber erst gehe ich zu den Pennecs. Hat Reglas noch etwas gesagt zu dem Einbruch?«
    »Nur, dass er nichts gefunden hat bisher. Nicht mal Spuren von Fußabdrücken. Dass er eher davon ausgeht, es handele sich um einen üblen Scherz oder ein Ablenkungsmanöver.«
    »Blödsinn. – Ist jemand im Raum gewesen heute?«
    »Niemand. Nur Kadeg und ich haben Schlüssel. Und Sie natürlich.«
    Es entstand eine Pause. Riwal wusste, dass der Kommissar manchmal ohne eine Verabschiedung auflegte, wenn er das Gefühl hatte, das Gespräch sei beendet.
    »Sind Sie noch da, Monsieur le Commissaire?«
    Auch jetzt

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