Bretonische Verhältnisse
in sehr guter Verfassung. Für sein Alter. Und eine auffällige körperliche Schwäche hat man ihm nicht anmerken können. Auch nicht in letzter Zeit.«
Pennec nickte seiner Frau erleichtert zu.
»Ich werde einmal mit Docteur Garreg sprechen. Ich will wissen, was genau mit meinem Vater war.«
»Das verstehe ich sehr gut, Monsieur Pennec.«
Es entstand eine längere Pause, eine wohltuende Pause, in der jeder seine Gedanken ordnete. Dupin holte sein Clairefontaine heraus und blätterte, als würde er etwas suchen.
»Und in den letzten Tagen, ich will Sie noch einmal fragen, ist Ihnen da an Ihrem Vater etwas Besonderes aufgefallen? Sie haben ihn ja in dieser Woche gesehen. Worüber haben Sie gesprochen?«
»Diverse Dinge, wie immer. Die Fische, die Makrelenschwärme, sein Boot, das Hotel. Die beginnende Saison. Das war sein großes Thema jetzt. Wie alles anläuft.«
»Läuft es gut an?«
»Danke. Gut – sehr gut. Mein Vater war sicher, dass die Saison sehr gut werden würde. Aber wir haben auch in der Krise keine wirklichen Einbußen hinnehmen müssen.«
»Nur die Billighotels, nicht die besseren Hotels, Monsieur le Commissaire.«
»Waren Sie in die mäzenatischen Tätigkeiten Ihres Vaters eingebunden?«
»Ich denke, man kann … Er hat, nehme ich an, niemanden einbezogen in diese Dinge. Er hat es als seine ureigene Aufgabe angesehen. Und es hat ihm Spaß gemacht.«
»Wissen Sie, dass es gerade um eine größere Summe ging, die er stiften wollte? Für den Kunstverein und das Museum. Für eine Renovierung.«
»Pierre-Louis Pennec war ein großer Mäzen.«
Madame Pennec hatte diesen Satz mit beflissen pathetischem Ton gesprochen.
»Um was für eine Summe ging es?«, fragte Loic Pennec mit etwas vorsichtiger Stimme.
»Oh, ich kenne keine genauen Summen. Aber es ging doch wohl um einen substanziellen Betrag.«
»Und Sie haben keine Vorstellung, um welche Größenordnung es sich handeln könnte?«
Madame Pennec hatte sich bei ihren letzten Worten etwas vorgelehnt.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.« Dupin vermutete, dass sie sich gerade fragten, ob dieser Betrag noch vom Erbe abgehen würde.
»Und des Weiteren, worüber haben Sie noch gesprochen in Ihren letzten Gesprächen, Monsieur Pennec?«
»Über kleinere Dinge hier im Hotel.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Dupin.
»Mein Vater hat mir regelmäßig von den Angelegenheiten des Hotels erzählt. Was zu tun war. Es ging um neue Fernsehgeräte in den Zimmern. Davon hat er zum Beispiel gesprochen. Die jetzigen Geräte sind wirklich alt. Er wollte moderne, schicke Flachbildschirme anschaffen. Er hasste Fernseher und fand, dass diese fürchterlichen Geräte nun zumindest nicht mehr so viel Platz wegnehmen sollten. Und das sind dann natürlich in Hinblick auf alle Zimmer größere Investitionen.«
»Darüber haben Sie gesprochen in dieser Woche?«
»Ja. Unter anderem eben.«
»Und was heißt, er hat mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
»Ich meine, hat er Ihnen davon erzählt oder haben Sie gemeinsam über diese Dinge beraten?«
»Er hat mir davon erzählt – und dann haben wir darüber beraten, ja.«
Er schaute Dupin fragend an, als wolle er bestätigt bekommen, die richtige Antwort gegeben zu haben.
»Und gab es etwas, das Ihren Vater umgetrieben hat in letzter Zeit, eine größere Angelegenheit?«
Madame Pennec schaltete sich ein. Es klang ein wenig unwirsch.
»Sie haben ja bereits danach gefragt. Uns ist nichts Ungewöhnliches eingefallen.«
»Aber natürlich ist es richtig, wieder und wieder nachzudenken. Wenn man so aufgewühlt ist, vergisst man vielleicht etwas.«
Dupin war beeindruckt, wie vollkommen souverän Loic Pennec nun agierte.
»Nein, ich weiß von keiner Angelegenheit, die meinen Vater in besonderer Weise umgetrieben hat in letzter Zeit. Außer jetzt natürlich – es wird doch sicherlich so gewesen sein, dass ihn sein Gesundheitszustand sehr beschäftigt hat, die letzten Wochen und Monate schon, vor allem natürlich in den letzten Tagen. Seit der Diagnose. Das muss man sich nur einmal vorstellen.«
Während Loic Pennec sprach, war Dupin plötzlich unruhig geworden. Ihm war mit einem Mal eingefallen, was es gewesen war im Gespräch mit Beauvois, das ihn seitdem dunkel beschäftigt hatte.
»Ich denke – das waren jetzt sehr viele Dinge –, Sie haben mir noch einmal sehr geholfen, Monsieur Pennec, Madame Pennec.«
Dupin wollte gehen. Er wollte seiner Fährte folgen. Keinen der beiden
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