Bretonische Verhältnisse
antwortete Dupin erst mit einer Verzögerung.
»Ich will noch einmal in das Restaurant.«
Dupin sprach diesen Satz sehr bestimmt. Dennoch hatte er mehr zu sich gesprochen als zu Riwal.
»Soll ich etwas tun?«
Wieder entstand eine längere Pause, und als Riwal ein zweites Mal fragte, ob der Kommissar noch dran sei, hatte Dupin wirklich aufgelegt.
»Ja bitte?«
Madame Pennec stand in der Tür. Sie blickte Dupin direkt an, in ihrem Blick lag eine Art Vorwurf. Ihm fiel ein, dass er sich keinerlei Strategie für dieses Gespräch zurechtgelegt hatte, er konnte ja nicht einfach fragen, wie es denn bei der Testamentseröffnung gelaufen war.
»Sie hatten den Wunsch geäußert, mich zu sprechen, sagte mir Inspektor Riwal.«
Madame Pennec fasste sich.
»Ja, natürlich. Das wollten wir. Kommen Sie herein. Mein Mann wollte sich gerade etwas hinlegen. Er hat sich schlimm verausgabt. Seelisch meine ich. Ich werde ihn holen. Warten Sie doch im Salon.«
Dupin kannte das schon. Ein paar Minuten später erschien Loic Pennec auf der Treppe.
»Monsieur le Commissaire. Es ist gut, dass Sie kommen.«
Pennec sah in der Tat schrecklich aus. Das Gesicht ganz eingefallen, die Augen gerötet.
»Aber selbstverständlich.«
Pennec blickte zu seiner Frau.
»Wir wollten natürlich zuerst einmal wissen, wie die Ermittlungen stehen? Ob Sie schon Fortschritte gemacht haben? Auch bezüglich der Sache heute Nacht.«
»Das haben wir, Monsieur Pennec. Das kann ich Ihnen versichern. Wenngleich wir noch keine, wie man sagt, ganz heiße Spur haben. Die Ermittlungen werden sich sicher noch etwas hinziehen. Je mehr wir wissen, desto komplizierter wird dieser Fall.«
Dupin machte eine Pause.
»Und zu der kaputten Scheibe und dem möglichen Einbruch diese Nacht können wir noch gar nichts sagen.«
»Ja, ich kann mir denken, dass es jetzt sehr viel ist für Sie.« Pennec versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht.
»Das ist es. Aber das ist unsere Arbeit.«
»Und das andere«, Madame Pennecs Stimme klang gepresst, »das andere ist: Wie, meinen Sie, geht es mit Ihren Arbeiten im Hotel weiter? Wir meinen die ganzen Absperrungen, all das. Sie können sich sicher vorstellen, dass das nicht einfach ist. Wir befinden uns in der Hochsaison. Mein Mann ist nun verantwortlich für alles«, sie setzte kurz ab, »ich meine, Sie werden verstehen, dass er adäquat mit der neuen Verantwortung umgehen will, die ihm diese fürchterliche Wendung des Schicksals auferlegt hat.«
»Natürlich, Madame Pennec, das verstehe ich sehr gut. Wenn Sie mir sagen, was Sie genau meinen, können wir vielleicht helfen.«
»Wann wird wieder alles normal sein im Hotel? In der Hochsaison ohne Restaurant, wie soll das gehen? Die Gäste erwarten zu Recht die Küche des Central . Und das Restaurant wird auch als Frühstücksraum gebraucht. Es geht immer um die Gäste.«
»Sie meinen, wann wir den Tatort für unsere Untersuchungen nicht mehr benötigen?«
Dupin kannte diese Situation. Es war immer dasselbe.
»Das ist schwer zu sagen. Die Aufklärung eines Mordfalles hat ihren ganz eigenen Rhythmus.«
Catherine Pennec schien kurz zu erwägen, noch weiterzugehen, ließ es dann aber.
»Entspricht das Testament Ihres Vaters beziehungsweise Schwiegervaters dem, was Sie sich gedacht haben, ich meine, haben Sie diese Verfügungen erwartet?«
Dupins plötzliche Frage überraschte beide, Madame und Monsieur Pennec blickten ihn irritiert an. Es dauerte eine Weile, bis sie reagierten, Madame Pennec als Erste.
»Sie kennen das Testament bereits?«
»In einem Mordfall gehört die Kenntnis des Testaments selbstverständlich zu den ersten Ermittlungen der Polizei.«
»Natürlich.«
Madame Pennec wirkte etwas verlegen, Loic Pennec gab sich betont ruhig.
»Sie können sich sicher vorstellen, dass wir mit – mit ein wenig anderen Verfügungen gerechnet hatten, das können wir nicht verhehlen – ich meine, es entspricht im Wesentlichen ganz unseren Erwartungen – dem, was mein Vater und ich seit Langem immer wieder besprochen haben. Ich übernehme das Hotel.«
»Das ist ja der Kern des Testaments.« Madame Pennecs Stimme schwankte ein wenig. Aber sie hatte sich unter Kontrolle.
»Wir sind, danach fragen Sie ja sicher, durchaus davon ausgegangen, dass sämtliche Immobilien meines Vaters sich in unserem Erbteil befinden werden. Und ich denke, es war berechtigt, davon auszugehen.«
»Natürlich. Was denken Sie, motiviert die Verfügungen an Madame Lajoux, Monsieur Delon und den
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