Bride 02 - Tempel Der Liebe
Boden und rollte sich ab. Sofort bereute sie, die Beherrschung verloren zu haben. Chenqua war sehr geschickt, aber sie war ihm einfach überlegen. Gewöhnlich bemühte sie sich, ihren Herrn beim Training nicht zu überwältigen.
Er fasste sich und war rasch wieder auf den Beinen. Seine dunklen Augen funkelten und er nahm jetzt eine andere Haltung ein. Er umkreiste sie langsam und wartete auf eine Möglichkeit, sie anzugreifen. »Ich habe dich ernährt und dir ein Dach über dem Kopf gegeben. Ich habe dir Privilegien gewährt, die keine andere Frau in meinem Haus genießen durfte. Du schuldest mir den Gehorsam und die Dankbarkeit einer Tochter.«
Ihr Mut war dahin. Sie hätte sich nicht gegen ihn auflehnen dürfen. »Ja, Onkel.«
Die Verzweiflung hatte ihre Energie aus dem Gleichgewicht gebracht. Es fiel ihm nicht schwer, sie für ihren Ungehorsam zu bestrafen. Erst täuschte er mit der Rechten einen Schlag vor. Dann traf er sie mit der Linken und versetzte ihr gleichzeitig einen Tritt. Der Doppelschlag verband Kraft und Chi in einer explosiven Mischung. Sie knallte auf den Boden. Statt sofort wieder aufzuspringen, blieb sie einen Augenblick keuchend liegen. Sie wollte damit ihre Demut ausdrücken. »Vergib mir meine wirren Gedanken, Onkel.«
Beschwichtigt erwiderte er: »Du bist nur eine Frau. Man kann nicht erwarten, dass du vernünftig handelst.«
Die Schottin Troth Montgomery würde ihm widersprechen. Aber Mei-Lian senkte unterwürfig den Kopf.
KAPITEL 2
Die Ankunft in Kanton erinnerte Kyle an den Londoner Hafen, nur dass hier zwanzigmal so viele Menschen herumliefen und es fünfzigmal lauter zuging. Ausländische Handelsschiffe mussten etwa zwölf Meilen flussabwärts in Whampoa anlegen. Fracht und Besatzung fuhren dann den letzten Abschnitt der Reise mit Booten. Auch Kyle und Gavin Elliott saßen jetzt in einem kleinen Boot, das sich geschickt einen Weg zwischen den riesigen Dschunken bahnte. Diese waren zur Abwehr von Ungeheuern vorne mit großen Augen bemalt. Ruderer legten sich in die Riemen und ließen die Boote über das Wasser fliegen. Andere
Boote waren mit Schaufelrädern ausgestattet, die von Männern auf Tretmühlen angetrieben wurden. Oft schien ein Zusammenstoß unvermeidlich, aber es gelang den Steuermännern immer rechtzeitig auszuweichen.
Ein bunt verziertes Blumenboot glitt an ihnen vorbei. Zurechtgemachte chinesische Mädchen hingen über der Reling, riefen den Fan-qui etwas zu und lockten sie mit unmissverständlichen Gesten. »Denken Sie nicht einmal im Traum daran, an Bord eines Blumenschiffs zu gehen«, sagte Gavin trocken. »Das sind vielleicht die schönsten Bordelle auf dem Chinesischen Meer, aber wenn ein Europäer zu neugierig ist, verschwindet er für immer.«
»Mein Interesse ist rein wissenschaftlicher Natur.« Das entsprach sogar der Wahrheit. Obwohl Kyle die dunklen, schlanken Frauen im Fernen Osten sehr attraktiv fand, hatte er doch während seiner jahrelangen Reise meist keusch gelebt. Er hatte in seinem Leben nur eine einzige Frau wirklich geliebt. Wenn die Lust auf die Berührung, den Geschmack und den Geruch einer Frau ihn übermannte, fühlte er sich doch jedes Mal schmerzlich daran erinnert, wie sehr die Lust der Liebe unterlegen war.
Trotzdem folgte sein Blick den Mädchen auf dem Blumenboot, bis es hinter einer Dschunke verschwunden war. Es war nicht schwer nachzuvollziehen, warum sich viele der europäischen Händler in Macao chinesische Konkubinen hielten.
»Dort ist The Settlement.«
Kyle drehte sich um und betrachtete die schmale, belebte Landzunge zwischen dem Fluss und der Stadtmauer. Dies war der einzige Ort in China, den ein Ausländer betreten durfte. Eine Reihe von Gebäuden stand am Flussufer, europäische und amerikanische Fahnen flatterten im Wind. Das waren die Hongs, riesige Lagerhäuser, in denen die Ausländer ihre Waren lagerten und versandfertig machten. Handel wurde in den Wintermonaten betrieben. Während dieser Zeit wohnten sie in den oberen Stockwerken. »Es ist schon merkwürdig, wenn man bedenkt, dass der meiste Tee, den man im Westen trinkt, aus diesen Lagerhäusern stammt.«
»Der Handel schafft genug Reichtum, um aus manchen Männern Könige zu machen.« Von der grellen, tropischen Sonne geblendet, kniff Gavin die Augen zusammen. »Auf uns wartet ein Empfangskomitee an der Wasserpforte. Der Kerl in der bestickten Seidenjacke ist Chenqua.«
Kyle hatte natürlich schon von Chenqua gehört. Er war der wichtigste Kaufmann in
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