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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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nicht ausführlich genug gewesen wären, darüber werden Sie lachen, da Sie schon alles menschenmögliche
Maß überschritten zu haben glauben. Aber es ist doch so. Ich meine nämlich, daß Ihre Schilderungen noch umständlicher sein, noch mehr Züge dessen, wie es um Sie her war, enthalten sollten. Die Frage, die ich hersetzen will, müssen Sie mir noch in einem Ihrer nächsten Briefe auf einem besondern Blatte pünktlich und genau beantworten: Wie Ihre Mutter aussah? Das läßt sich doch beschreiben. Sie haben es aber garnicht getan. Von allen Personen, die oft und viel in Ihrer Erzählung vorkommen, müssen Sie das immer tun. Was Sie sich also von den Gesichtszügen und dem Körperbau Ihrer Mutter erinnern, schreiben Sie ja ganz genau. Dann haben Sie mir zwar das Innere Ihres elterlichen Hauses beschrieben, aber nicht bestimmt genug. Ob die Lage des Hauses, des Orts, die Umgebungen gegen Gärten, gegen Nachbarhäuser, ob die Gegend anmutig war, ob Sie aus den Fenstern ins Grüne, ob weit ins Ferne sahen, von dem allen steht kein Wort in Ihrer Erzählung, und das sind so ganz wesentliche Umstände, das holen Sie ja nach und machen Sie die Schilderung so, daß ich mir ein bestimmtes Bild davon entwerfen kann. Diesen Wunsch müssen Sie mir befriedigen, sonst schwankt alles in der Phantasie, und selbst die Gedanken und Empfindungen verlieren dadurch in ihrem Gehalte.
    Sie werden mich recht lästig mit meinen Bitten finden, aber Sie haben sich einmal darauf eingelassen, sie zu erfüllen.
    Ich bin allein hier und nicht auf lange Zeit. Richten Sie aber doch Ihren nächsten Brief hierher; vermutlich findet er mich noch hier, und ist das nicht, so geht er von hier von selbst nach Berlin, wohin ich zurückkehre. Sie erinnern sich wohl – Burgörner bei Hettstädt. Leben Sie herzlich wohl, liebste Charlotte, mit immer unveränderlichen Gesinnungen Ihr H.
     
     
Tegel
, den 10. Juli 1822.
     

    I ch glaube Ihnen schon gesagt zu haben, daß ich Sie bitte, Ihre Briefe, wenn die meinigen diese Überschrift tragen, immer nach Berlin zu adressieren, sie kommen mir sicherer zu. – Hier brachte ich meine Kindheit und einen großen Teil meiner Jugend zu. Ich liebe Tegel sehr. Die Gegend ist wenigstens die hübscheste um Berlin; auf der einen Seite ein großer Wald, auf der anderen von Hügeln, die schön bepflanzt sind, eine Aussicht auf einen ausgedehnten, von mehreren Inseln durchschnittenen See. Um das Haus und fast überall sind hohe Bäume, die ich in meiner Kindheit erst in mäßiger Stärke sah, und die nun mit mir emporgewachsen sind. Ich baue jetzt ein neues Haus hier, das schon halb fertig ist, und bringe auch hierher die Gemälde und Marmorsachen, die wir haben, so wird es ein anmutiger Wohnplatz, von dem ich selten in die Stadt kommen werde.
    Hier bekam ich auch Ihre beiden lieben Briefe, den vom 25. v. M. und den vom 3. d. M., für die ich Ihnen herzlich danke. Ich beantwortete den ersten, in dem Sie mich so sehr bitten, Ihnen augenblicklich zu schreiben, nicht gleich, weil ich wußte, daß einer von mir in der Zeit in Ihren Händen sein müßte.
    Daß ich ihren Hang zur Einsamkeit tadeln oder einschränken möchte, dürfen Sie nie fürchten. Ihr alter väterlicher Freund Ewald ist aber doch wohl hier viel gütig-sorglicher gewesen und hat an Ihr Glück gedacht und geglaubt, Sie hätten mehr Vergnügen in einer geselligeren Art zu leben. Ich meine nun das garnicht, allein, wenn ich es auch meinte, so würde ich doch mehr zur Einsamkeit raten. Es ist nun einmal (das lobe ich aber nicht) meine Art so, bei mir (das möchte hingehen), aber auch bei anderen, viel weniger auf ihr Glück, ihren Genuß, als auf das, was sie in sich sind, auf den vorzüglicheren Grad und die eigentümliche Art ihrer Gemütsstimmung zu sehen. Diese nun ist aber schon schöner, wenn man die Einsamkeit liebt, und wird schöner, wenn man dieser Liebe nachhängt; sie würde es aber allmählich auch, wenn man von Natur die Einsamkeit nicht liebte, und sich nur Gewalt antäte, in ihr zu beharren. Das ist so in vielem meine Theorie.
    Daß Sie mir gelegentlich erzählen, daß an Ihrem Haus und Garten ein Bach mit einem Steg ist, hat mir Vergnügen gemacht. Solche
kleinen Züge bezeichnen die ganze Lage und versetzen einen in die Gegenwart. Denken Sie nun auch hübsch an mich, teure Charlotte, hinter Ihrem Bach.
    Der Aufsatz, den Sie mir vorerst als Beantwortung meiner Frage senden, der ursprünglich nicht für mich bestimmt war, in dem aber eine

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