Briefe an eine Freundin
für mich (ich will nie für das Gewissen eines andern reden) kein Arges, mich jedem Gefühl, das wahr und unentstellt in mir aussteigt, ohne alle Ängstlichkeit hinzugeben. So ist es in mir. Sie sehen, was ich Ihnen oben sagte, ich will behalten, was ich habe.
Von meinem Familienleben hätte ich Ihnen, wenn Sie es nicht ausdrücklich gefordert hätten, und es mir nicht natürlich geschienen, doch auch das Innere und gerade dasjenige Verhältnis zu berühren, von dem in einem Familienkreise alle anderen Empfindungen ausgehen, immer geschwiegen.
Also noch einmal, ich will, liebe Charlotte, daß Sie nicht eine einzige Zeile, nicht ein Wort zurückwünschen. Alles, was Sie mir geschrieben haben, woraus Ihre Gefühle so rein und wahr hervorstrahlen, beglückt mich in der Erinnerung. Ich wünsche vor allem, daß der Briefwechsel mit mir Ihnen reine, durch nichts getrübte Freude mache. Ich habe ja dabei
keinen andern Zweck, als für mich Erinnerungen festzuhalten, die mir ewig teuer sein werden, und für Sie, Ihnen eben dadurch Freude zu geben.
Daß ich Ihnen jene Nachrichten so spät gab, darf Sie nicht wundern, ich gab sie nur, weil Sie es wollten. An sich ist es meine Art nicht, von dem, was ich für einen Menschen fühle, einem andern als ihm selbst zu sprechen, ja, es ist mir ganz entgegen. Ich weiß wohl, daß man es so gemeinhin für ein Zeichen und ein Bedürfnis der Freundschaft hält, sich gegenseitig Freude und Kummer und alles mitzuteilen, den andern, wie man es nennt, mit sich leben zu lassen. Ich könnte tiefen Kummer und große Freude im Herzen haben, und es würde mich nie drängen, es denen mitzuteilen, die ich am liebsten habe. Ich tue es auch wirklich nicht, wenn die Mitteilung nicht andere Veranlassung hat. Ich halte sehr wenig von den Ereignissen des Lebens und für mich (Gott weiß, nicht für andere) wenig von Glück und Unglück, beide, auf mich bezogen, sind die letzten Rücksichten bei meinem Tun und Handlungen; ich weiß, Gottlob! mit denen, die ich so gern habe, als Sie, immer noch etwas Besseres zu reden, als was eben um mich herum vorgeht. Ich mache es gerade so mit meiner Frau und Kindern. Sie wissen von sehr vielem, was mich beschäftigt, garnicht, und meine Frau denkt so gleichgestimmt mit mir darüber, daß, wenn sie zufällig etwas erfährt, was sie
nicht wußte, oder ich ihr selbst bei einer Veranlassung davon sagte, es ihr nicht einfällt, das sonderbar zu finden. Freundschaft und Liebe bedürfen des Vertrauens, des tiefsten und eigentlichsten, aber bei großartigen Seelen nie der Vertraulichkeiten.
Leben Sie herzlich wohl! Mit unveränderlichen Gesinnungen der Ihrige. H.
Berlin
, den 14. Februar 1823.
S ie verstummen ja ganz, liebe Charlotte. Es ist ungewöhnlich lange, daß ich keine Zeile von Ihnen erhielt. Schon seit acht Tagen wollte ich Sie bitten, das Stillschweigen zu brechen. Aber ich hoffte mit jedem Posttag einen Brief zu erhalten. Wenn Sie nur nicht krank sind! Allein gerade dann, dächte ich, hätten Sie geschrieben, mir wenigstens das zu sagen. Sie waren aber sehr angegriffen, hatten sich sehr angestrengt, dazu jetzt die kalte Witterung, das alles könnte Ihnen doch wohl geschadet haben. Ich bitte Sie inständigst, schreiben Sie mir, wie es Ihnen geht. Ich würde in der Tat sehr unruhig sein, wenn ich auch jetzt keinen Brief erhielte. Ich bin wohl, aber sehr beschäftigt. Mein Bruder war vier Wochen hier bei mir. Er ist nun nach Paris zurückgegangen; während seiner Anwesenheit hatte ich alles liegen lassen, und so ist schon das, was sich in meinen Geschäften angehäuft hat, so ansehnlich, daß ich ein paar Wochen daran aufzuräumen
haben werde. Darum verzeihen Sie auch die Kürze meiner Zeilen. Da Siegern lange Briefe von mir haben, so wird Ihnen mein letzter gefallen haben, er füllte den ganzen Bogen, und mit meiner kleinen Handschrift ist das sehr viel. Leben Sie wohl, und ich bitte, schreiben Sie mir gleich. Von Herzen und mit unveränderlichen Gesinnungen der Ihrige. H.
Berlin
, den 14. März 1823.
I ch habe, liebe Charlotte, Ihre Briefe mit deren Beilagen erhalten und sage Ihnen meinen herzlichen Dank dafür. Man kann nicht ordentlicher sein, als Sie diese zweite Lieferung zu Ihrer Lebensbeschreibung eingerichtet haben. Sie nennen sie: Einleitungshefte. Die Folge wird das erst ganz deutlich machen, da alle Ihre Gedanken Klarheit haben. Alles liest sich leicht und mühelos, wie ein Buch, und was bei Handschriften immer sehr angenehm
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