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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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ist. Daß Sie das Ganze in Lieferungen teilen und jede in einen angemessenen Abschnitt zusammenfassen, ist äußerst zweckmäßig. Ich finde es daher auch besser, daß Sie künftig sich nicht gerade an die Zeitpunkte halten, die ich anfangs bestimmt hatte, sondern jeder Lieferung einen angemessenen, sich nach dem Inhalt richtenden Abschnitt geben, daß er weder allzukurz noch allzulang wird, und abzusenden, wenn Sie solche Lieferung fertig haben, ohne sich an einen bestimmten
Zeitabschnitt zu kehren. Ich weiß, auf der einen Seite, daß Sie Interesse genug an der Sache nehmen, und liebevoll gegen mich gesinnt, selbst gern meine Wünsche erfüllen, und also die Muße, die Sie auf diese Arbeit verwenden können, gewiß nicht ohne Not andern Dingen schenken. Auf der andern Seite aber möchte ich selbst nie, daß Sie den notwendigen Geschäften, die Ihnen obliegen, Zeit entzögen, die dann wieder zu große Anstrengungen forderten, um das Verschobene wieder einzubringen. Alles, wozu ich Sie veranlasse, soll nur zu Ihrem Vergnügen und Ihrer Genugtuung dienen, nicht aber Ihnen zur Last noch Unruhe werden. Was mich bei dieser Lieferung erschreckt, ist, daß Sie schon so weit vorgerückt sind. Sie sehen daraus, wie ich Ihnen immer sagte, daß Ihre Furcht vergeblich sei, daß Sie bei einer so großen Ausführlichkeit nie zu einem Ende kommen würden. Indessen kann ich Ihnen durchaus über Mangel an Ausführlichkeit keinen Vorwurf machen. Ich glaube gern und sehe es aus der Schrift selbst, daß Sie nichts weiter zu erzählen hatten, weil der Gegenstand Ihnen in Ihrem Gedächtnis nicht mehr darbot. Sie haben nichts übergangen, alle Personen, die Sie erwähnen, erscheinen in einer vollständigen Zeichnung mit sehr bestimmten Umrissen, man sieht zugleich ihre Umgebungen, und es geht dem Bilde kein Zug ab, dessen Vermissen eine Lücke verursachte. Zwei interessante Figuren sind Ihre beiden
Großmütter, man ist sehr geneigt, sie in Ihnen wieder zu erkennen. Zwei vorzügliche Frauen waren es gewiß. Es ist in sich natürlich, daß die Schilderung des Lebens einer in den einfachsten Verhältnissen sich befindenden Familie nicht mehr und nichts Vielfacheres darzubieten imstande ist; auch ist es Ihnen wohl bis dahin nicht eingefallen, dies Leben in so weiter Vergangenheit zurückzuholen und zu beschreiben. Das alles, gute Charlotte, erkenne ich mit wahrer Dankbarkeit, erkenne, wie gern Sie mir Freude machen. Auch hat Ihre Erzählung, gerade in dieser Einfachheit eines solchen Lebens, für mich und meine individuelle Art zu empfinden einen großen Reiz, den ich auch wieder bei Lesung Ihrer Blätter empfunden habe. Ich muß diese Lieferung auch darin noch mehr loben als früher, weil die Erzählung darin ruhiger, ununterbrochener, und in einem einzig nur das Geschilderte heraushebenden Tone fortgeht. So gern ich auch Betrachtungen lese, welche Sie früher dem Erzählten einzustreuen pflegten, so besteht der größte Reiz einer Erzählung doch gerade darin, daß man nur das Erzählte erblickt, und daß es als etwas ehemals Vorgegangenes und sich selbst vor dem Auge Bewegendes dasteht, nicht durch den unterbrochen wird, der es jetzt absichtlich darstellt. Im gegenwärtigen Falle sind nun zwar Sie, als darstellend und dargestellt, dieselbe Person, allein die Verschiedenheiten der Zeit bleiben auch so doch gleich beachtungswert,
und Sie, jetzt und selbst erzählend, werden gegen sich, in jener Zeit dargestellt, auch wieder gewissermaßen eine Fremde. Sie müssen aber darum nicht glauben, daß ich mich durchaus gegen die Einstreuung jeder Betrachtung erklärte, und Sie sich jede neue verbieten müßten. Dies ist gar nicht meine Absicht. Ich lobe mehr die Art, die ich hier beobachtet gefunden habe, als ich es tadeln würde, wenn Sie eine andere angewendet hätten. Denn auch diese könnte auf ihre Weise Reiz gehabt haben, und Sie würden es gewiß verstanden haben, ihn derselben zu geben. Allein in sich ist es richtig, daß die Erzählung reiner und anziehender in dem Grade ist, in welchem sich der Erzähler mehr zurück und in Schatten stellt, und dieser verliert dabei nicht, denn man sieht ihn und seine Individualität in der Art und Natur der Erzählung gleich klar und bestimmt, und fühlt sich durch die verstecktere Art, mit der es geschieht, überrascht. Die Zeichnungen, die Sie beigelegt hatten, haben mich sehr gefreut. Sie versetzen den, der sie sieht, auf den Schauplatz der Personen, von denen erzählt wird, und tragen daher zur

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