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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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Lust. Leben Sie wohl, liebe Charlotte. Mit den herzlichsten Gefühlen der Ihrige. H.
     
     
Burgörner
, den 13. November 1824.
     

    I n der Vergangenheit ist reichlicher Stoff zur Freude und Wehmut, zur Zufriedenheit mit sich und zur Reue, da hat man mit sich, mit andern, mit dem Geschicke gekämpft, gesiegt und unterlegen; was da gefunden wird, das ist wahrhaft gewesen, das ist, wenn es schmerzlich war, untilgbar wie eine Narbe, und wenn es freudig war, unentreißbar wie ein der Seele eingewachsener Gedanke; es ist ferner rein von der Ängstlichkeit, der Besorgnis der Zukunft....
    Ergebung und Genügsamkeit sind es vor allem, die sicher durch das Leben führen. Wer nicht Festigkeit genug hat, zu entbehren und selbst zu leiden, kann sich nie vor schmerzlichen Empfindungen sicherstellen, ja er muß sich sogar selbst, wenigstens die zu rege Empfindung dessen, was ihn ungünstig trifft, zuschreiben....
    Es gibt in der moralischen Welt nichts, was nicht gelänge, wenn man den rechten Willen dazu mitbringt. Der Mensch vermag eigentlich
über sich alles, und muß über andere nicht zu viel vermögen wollen.
    Gegen Menschen und gegen Schicksale ist es nicht bloß die edelste und sich selbst am meisten ehrende, sondern auch die am meisten auf dauernde Ruhe und Heiterkeit berechnete Gemütsstimmung, nicht gegen sie zu streiten, sondern sich, wo und wie es nur immer das Verhältnis erlaubt, zu fügen, was sie geben, als Geschenk anzusehen, aber nicht mehr zu verlangen, und am wenigsten mißmutig über das zu werden, was sie verweigern....
    Mit den sogenannten Ahnungen und Vorgefühlen ist es eine sonderbare Sache. Bisweilen trifft so etwas ein, bisweilen schlägt es fehl. Man möchte aber doch keineswegs weder das eine noch das andere als etwas bloß Zufälliges ansehen, und darum, weil diese Vorgefühle oft ohne Erfolg bleiben, sie nicht auch, wenn sie eintreffen, dem Zufall beimessen, und ihnen das Verdienst wahrer Voranzeige der Zukunft nehmen. Es geht mit diesen Dingen wie mit allem, was auf innerem Selbstgefühl beruht. Dies Selbstgefühl kann sich täuschen, man kann für Vorbedeutung halten, was es nicht ist, und kann auch wieder die wahre verkennen. Objektive Sicherheit läßt sich darüber nicht haben. Es kann keine sicheren äußeren Zeichen der Erkennung der Wahrheit geben. Es sind immer oft schwache Andeutungen, sie können in die Seele gelegt, sie können aber auch aus einem unbestimmten, durch Hoffnung oder Furcht
irregeleiteten Seelenzustand erzeugt sein. Im ersteren Falle läßt sich auf ihre Zuverlässigkeit bauen, im letzteren Falle nicht. Das Weiseste ist immer, sie auf keine Weise herbeizulocken, bei ihrem Erscheinen sich die Möglichkeit ihrer Falschheit zu denken, und wenn sie ungünstig, auf ihre Wahrheit gefaßt zu sein. H.
     
     
Berlin
, den 31. Januar 1825.
     

    S ie werden sich wundern, liebe Charlotte, schon vor der Zeit, wo Sie gewohnt sind, meine Briefe zu erwarten, einen von mir zu empfangen. Aber ich bin krank, habe ziemlich starkes Schnupfenfieber und Zahnweh, und beides hindert mich am Arbeiten. Da suche ich gern im Briefwechsei, und am liebsten in dem mit Ihnen, eine ruhig-erheiternde und die Seele stimmende Beschäftigung. Ich gehöre zu den geduldigsten Kranken, ja ich kann mich oft nicht entschließen, das Kranksein ein Übel zu nennen. Sie werden sagen, daß das nur beweist, daß ich nie oder selten ernsthaft krank war, und darin haben Sie ganz recht. Aber es gibt genug Leute, die auch schon bei kleinen Übeln und bloß belästigenden Unpäßlichkeiten klagen. Mir bringt das Kranksein immer eine gewisse Ruhe und Sanftheit in die Seele. Es ist nicht, daß ich gesund sehr das Gegenteil wäre. Aber das gesunde Streben hat, vorzüglich im Manne, doch einen Eifer und eine Lebendigkeit, die immer mehr oder weniger
anspannen. Das fällt in Krankheit weg, man fühlt seine Tätigkeit; gelähmt und erwartet, bis es besser geht, keine Erfolge. Übrigens beunruhigen Sie sich ja nicht über mein Unwohlsein. Es ist durchaus unbedeutend und geht gewiß in wenig Tagen vorüber. Es ist bloß die Folge einer Erkältung, der ich nicht vermeiden konnte mich auszusetzen; ich fühlte gleich auf der Stelle das Entstehen des Übels. Meine Augen – Sie denken oft liebevoll daran – haben sich sehr gebessert. Ich leide garnicht in diesem Winter daran. Ich schreibe es doch der großen Schonung und selbst den lateinischen Buchstaben zu. Für Ihren letzten Brief habe ich Ihnen schon meinen herzlichsten Dank

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