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Briefe aus dem Gefaengnis

Briefe aus dem Gefaengnis

Titel: Briefe aus dem Gefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Doch das Förderband ist nicht für die Ewigkeit. Jedes Jahr bringt es viele tausend Menschen hervor, die das System hassen.
    Die im Moment wichtigste Frage dreht sich nicht um die
Wirtschaft oder um den Rückgang unternehmerischer Aktivitäten. Entweder wird dieses Förderband-System zerstört, indem die notwendigen Strukturen mit der Verfassung in Übereinstimmung gebracht werden (ein Vorhaben, das starken Willen und Durchsetzungskraft seitens der politischen Elite dieses Landes erfordert), oder die Zerstörung erfolgt auf die in Russland traditionelle Art und Weise – von unten und mit Blutvergießen.
    Man kann mit Sicherheit sagen, dass das Silowiki-Förderband (siehe Seite 134), das die Justiz unterhöhlt hat, der Totengräber eines modernen Russlands ist. Mit beachtenswerter Regelmäßigkeit bringt es Tausende von Russlands aktivsten, sensibelsten und unabhängigsten Bürgern gegen den Staat auf. Und das sind genau diejenigen Menschen, von deren Entscheidungen letzten Endes das Schicksal dieses Staates abhängt.
    Die Ergebnisse soziologischer Umfragen sollten nicht dazu verführen, sich von einem falschen Gefühl der Sicherheit einlullen zu lassen. Die träge Mehrheit wählt häufig die Machthaber, besonders bei mangelnder Demokratie. Eine soziale Explosion (wie ein sozialer Fortschritt) wird aber bei einer aktiven Minderheit verursacht – wenn diese die gegenwärtigen Zustände nicht mehr ertragen kann. Drei Prozent der Bevölkerung sind – wenn wir davon ausgehen, dass das der aktivste Teil ist – die kritische Masse, die notwendig und ausreichend ist für radikale Veränderungen.
    Das Silowiki-Förderband frisst, in seiner langweiligen, methodischen Art und Weise, wie es die Dinge immer ausführt, nur diese kleine gegen das System gerichtete Minderheit. Seltsam, dass Russlands regierende Elite – anders als
ihr nicht sehr großer, sensibler Teil – keine Angst davor zu haben scheint. Nicht einmal ihr Selbsterhaltungstrieb scheint richtig zu funktionieren.

Der Winter der Justiz: Worte und Wirklichkeit
»Wedomosti«, 2. Februar 2011
    Ich halte es für notwendig, mich im Zusammenhang mit dem beschämenden Urteil des Chamownitscheski-Gerichtshofes persönlich an den Präsidenten der Russischen Föderation zu wenden.
    Ich weiß durchaus, dass dieser Schritt bei denjenigen meiner Mitbürger, die fest davon überzeugt sind, dass Dmitri Medwedew überhaupt nichts entscheidet, und zugleich auch bei denjenen, die glauben, dass ein Eingreifen seinerseits in die Justiz unzulässig sei, auf Unverständnis stoßen wird.
    Es geht hier allerdings nicht um ein Eingreifen in die Justiz oder um meine persönliche Rettung. Der vollständige Zusammenbruch unseres Rechtssystems hat vielmehr dramatische Konsequenzen nicht nur für jeden Einzelnen, sondern für unser ganzes Land.
    Es ist die verfassungsmäßige Pflicht des Präsidenten, die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten – und sie nicht nur zu betonen. Ich denke also, dass es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht unseres Staatsoberhaupts ist, eine wirklich unabhängige Untersuchung anzuordnen, wenn Fakten auftauchen, die die fehlende Unabhängigkeit des Richters in diesem hochkarätigen Prozess belegen. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit bereits ein Beispiel für eine Untersuchung unter der Leitung des
Präsidenten kennenlernen dürfen – nämlich den »Tri kita«-Fall. 82
    Ich betone: Obwohl sich mein Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit des Richters auf weit mehr stützt als die skandalöse Rede des Ministerpräsidenten, halte ich es nicht für angebracht, alle meine Informationen offenzulegen, bevor eine Untersuchung angeordnet worden ist. Andererseits, wie anders könnte man die Lächerlichkeit beschreiben, wenn laut einem »Gerichtsurteil« zehn Millionen Tonnen mehr Öl gestohlen wurden, als tatsächlich produziert worden waren, wenn im Urteil gegenüber der Behauptung »Misstrauen« geäußert wird, Öl in Sibirien koste weniger als in Westeuropa, und so weiter. Das sind natürlich Punkte, über die die Verteidigung, die Journalisten und sogar der Richter im Verlauf des Prozesses herzlich mit den Generalstaatsanwälten gelacht haben.
    Der Präsident Russlands ist der Garant für die Rechte und Freiheiten der Bürger. Und der immer schlimmer werdende Rechtsnihilismus der Richter und – im Besonderen – die schlampige Interpretation der Gesetze durch diese Richter sind eine schamlose Verletzung dieser Grundrechte.
    Wohin werden

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