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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hatte … wenn er bloß kein so entsetzlicher Dummkopf gewesen wäre.
    Der Bindestrich hatte seinen Gegenspieler eine Hausecke zu früh liquidiert. Er war im Übereifer in die nächste Straße gehastet und dem Auffangkommando direkt in die Hände gelaufen. Sie fragten gar nicht nach seinen Papieren, sie nahmen ihn gleich nach vorne mit. Irgendwo waren die Rebellen durchgebrochen, und das Loch mußte mit einem rasch zusammengesuchten Haufen geflickt werden. Bevor Brillmann noch richtig begriffen hatte, daß die Richtung wieder falsch war, lag er schon im Feuerhagel.
    Er verrollte sich nach rechts, keiner achtete auf ihn. Nicht einmal nach seinem Namen hatten sie ihn gefragt. Idioten, dachte er zufrieden, setzte sich in den Keller ab, entschlossen zu warten. Wenn der Gefechtslärm abgeflaut war, würde er wieder nach oben gehen und sich nach hinten durchschlagen.
    Wulf-Dieter Brillmann addierte richtig. Aber es blieb eine Rechnung ohne den Wirt. Der Wirt war der Aufstand. Als er heraus wollte, griffen sie ihn: ein Vierzehnjähriger und zwei Männer. Sie hatten Bärte und schlüssige Gesichter. In ihren Augen lebte nichts mehr, außer dem Hass.
    Brillmann hob die Hände und bettelte um sein Leben. Das war neu in Warschau. Pardon war bisher weder verlangt noch gegeben worden. Die Rebellen waren so überrascht, daß sie den Mann in der Uniform von Dirlewangers B-Soldaten am Leben ließen.
    Eine Stunde. Zwei. Eine ganze Nacht lang. Eine Nacht ohne Ende. Eine Nacht, in der der Bindestrich nicht über arisierte Teppiche schritt noch sich in seiner Badewanne delektierte. Nur einen Wasserhahn hörte er tropfen. Stunde um Stunde. Monoton. Gleichmäßig. Stumpfsinnig. Zuletzt waren es Keulenschläge gegen den Hinterkopf. Er fürchtete sich vor dem nächsten Tropfen, und er ängstigte sich noch mehr, daß er ausbleiben könnte.
    Er hörte Schritte, wollte sich aufrichten und kauerte sich zusammen. »Nein!« heulte er, bevor sie noch das Kellerloch aufgestoßen hatten.
    Der vierte, den Brillmann erstmals sah, trug eine Lederjacke und mußte der Anführer sein. Das Planquadrat, in dem sich alles abspielte, war von der Kampfgruppe Reinefarth eingeschlossen und wurde Haus um Haus zurückerobert. Die Rebellen hatten sich entschlossen, es zu räumen. Die Lederjacke erklärte es schnell, leidenschaftslos. Die anderen beiden nickten, fragten zurück. Es waren viele Zischlaute. Brillmann verstand kein Wort, aber die Angst dolmetschte. Entsetzt stellte er fest, daß er auf einmal polnisch sprach. Er warf sich auf die Knie und stöhnte: »Bitte … Bitte!«
    Der Mann mit der Lederjacke befahl ihm aufzustehen. Brillmann erhob sich rasch, beflissen, dankbar, noch ein Musterschüler des Todes.
    Es geschah schnell. Aber der Bindestrich erlebte es wie in Zeitlupe. »Ihr Säue«, heulte er, »ihr … wollt mich …«
    Sie schwiegen. Einer brachte eine Kiste, suchte mit den Augen an der Decke einen Haken.
    »Ich … ich hab' doch nichts gegen die Polen …«, schrie Brillmann, »ich … mag' euch doch … ich …«
    »Los!« sagte die Lederjacke auf polnisch.
    Die anderen traten an Brillmann heran, rissen ihn hoch. Sie wußten nicht, daß dieser Mann das Gras wachsen hörte. Aber sie waren entschlossen, dafür zu sorgen, daß er es künftig von unten her tat …
    Dirlewanger schaffte nicht nur den Durchbruch vor der Ecke Ciepla- und Grzybowska-Straße, an der der verzweifelte junge Pole Grzes den Tod nicht finden konnte. Von den Vororten Wola und Ochota aus stieß die Kampfgruppe Reinefarth in östlicher Richtung durch die Wolska- und Chlodna-Straße über die Markthallen und den Sächsischen Garten zum Plac Zwyciestwa vor, erreichte das Weichsel-Ufer und kämpfte in der Altstadt, dem Herd des Aufstandes. Die Sonderbrigade markierte den Weg mit Hekatomben von Toten. Wo die B-Soldaten hintraten, starb alles. Es war mehr als die Taktik der verbrannten Erde; es war die Strategie des verbrannten Lebens.
    Den Rebellen gingen Waffen, Munition, Wasser und Verpflegung aus. Der Aufstand trug längst den Todeskeim in sich. Aber noch immer hetzte Reinefarth Dirlewangers Verbrecher in den ungleichen Kampf, mit jenem abgründigen Haß, der seinen Nährboden vielleicht in dem heimlichen Minderwertigkeitskomplex des in Polen geborenen SS-Offiziers hatte.
    Er selbst schrieb in seinem Erfolgsbericht an Himmler: »Ob Soldat, ob SS-Mann, ob Polizist, ob SD-Mann, ob Angehöriger des TN oder des NSKK, sie alle haben dafür gesorgt, daß Polens Metropole, von

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