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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Taktiker; nicht auf die Ideale kommt es an, sondern auf die Ziele. Er hätte mich an die Wand stellen müssen, dürfen, können, dachte er mit gruselnder Zufriedenheit weiter. Was sollte dieses dämliche, intellektuelle Duell? Die alte, liberale Tour? Prima im Kintopp, ergreifend im Roman und so überflüssig im Leben wie Hosenträger, so man mit der Zeit geht. Charakter? Unsinn! Ein Begriff aus der Schulweisheit, konstatierte der Bindestrich, eine pädagogische Traumwiese, auf der ich schon mit fünfzehn Primus war, sagte er sich, stolz auf sich wie selten bisher.
    Er hörte Schritte und haute sich in Deckung. Es waren drei Mann, deutsche Uniformen, stellte Brillmann erleichtert fest. Dann merkte er, daß es Kettenhunde waren, und erschrak. In der Eile des Abgangs hatte er auf die schriftliche Bestätigung des Befehls, sich beim Tross zu melden, verzichtet.
    Die Männer von der Streife hielten. Sie unterhielten sich über Weibergeschichten in Kiew. Kiew war längst im Eimer, und die Männer trösteten sich mit Photographien. Sie tauschten sie aus und erläuterten die Bilder. Dann sahen sie auf der anderen Seite einen jungen Burschen und gingen drohend auf ihn zu. Den Wortwechsel konnte Brillmann nicht verstehen, aber er begriff, daß sie ihn abführten, was ihm den Weg nach hinten wieder freigab.
    Brillmann holte zielstrebig aus, aber seine Gedanken liefen seinen Schritten voraus. Schon hatte er seine Berliner Dreizimmerwohnung erreicht, ging über kostbare, alte Teppiche, in der sicheren Ruhe, daß ihnen die Herkunft aus einem jüdischen Bankhaus keiner ansehen konnte. Er war aus dem Morast heraus und nahm zu Hause in seiner übergroßen Badewanne ein nervenstärkendes Moorbad. Bald würde er wieder aus dem Vollen schöpfen, Sonderverpflegung fassen, anständige Zigaretten rauchen und einen Zivilanzug aus englischem Tuch tragen. Der Bindestrich war entschlossen, die Annehmlichkeiten von heute bis zum letzten Tag zu nehmen; mochten sich die anderen um ein paar Gramm Margarine balgen, bei einem Privilegierten der SS-Zentrale war alles in Butter.
    Nur bis zum vorletzten Tag, verbesserte sich Brillmann. Er wußte, was zu tun war: Er durfte weder nach oben noch nach unten auffallen. Die Kunst blieb, keinen Tag zu spät, aber auch nicht eine Minute zu früh umzusteigen … vielleicht unter Mitnahme von ein paar Aktenstücken, die beweisen würden, was diese Burschen vom RSHA alles auf dem Gewissen hatten. Das ist kein Verrat, beruhigte er sich selbst, sie haben es wirklich zu bunt getrieben und niemals daran gedacht, wie sehr ihr Fanatismus ihre Gefolgsleute – Gefolgsleute ist Quatsch, Menschen wie mich zum Beispiel – mit ihrer sturen Härte belasten würde.
    Was können sie überhaupt von mir wollen? inquirierte sich Brillmann selbst. Ich war ein Staatsanwalt der ordentlichen Justiz und wurde als Beamter zum Reichssicherheitshauptamt versetzt, einfach wie ein Nähmädchen in die Munitionsfabrik, ohne gefragt zu werden. Wer weiß schon, daß es auf eigenen Wunsch geschah?
    Warschau brannte an allen Ecken und Enden, aber Wulf-Dieter Brillmann, der immer gewußt hatte, worauf es ankam, war mit sich im Reinen. Links von ihm schrien Kinder, deren Mütter man erschossen hatte und die verhungern oder verdursten mußten, falls sie nicht ein barmherziger Soldat vorher mit dem Gewehrkolben erschlug. Hinter ihm waren sieben Bestien über ein dreizehnjähriges Mädchen hergefallen und hatten das Kind zu Tode geschändet, wie es ihnen erlaubt worden war.
    Doch gut, wenn man immer ein Mensch geblieben ist, dachte Brillmann, die Unbill von heute ist mein Alibi von morgen; weil ich der Zentrale zu weich war, zu human, wurde ich zu einer SS-Strafeinheit versetzt. Der Bindestrich boxte gegen Schatten. Er hielt bereits ein Plädoyer vor dem Entnazifizierungsausschuß, verfrüht zwar, aber schließlich hörte ein Mann wie er das Gras wachsen. Das ist ja der Unterschied zwischen Vonwegh und mir, überlegte Brillmann fast heiter: Er ist borniert, ich bin wendig; er träumt, ich handle. Wer könnte etwas gegen mich vorbringen? Er ging rasch seine Vergangenheit durch. Keiner, gab er sich selbst Antwort. Höchstens Vonwegh selbst. Er nickte sich zu. Erstens kommt der Mann nicht aus Warschau lebend heraus, und wenn, ergänzte er, könnte ich von Berlin aus nachhelfen, um ganz sicher zu gehen; so viel Zeit wird noch bleiben, wußte er. Und in seiner guten Laune stellte er fest, daß sich Vonwegh als ein gar nicht so übler Kerl gezeigt

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