Brigade Dirlewanger
Fisch …«, versetzt Vonwegh, »ein ganz kleiner …«
»Ein Hai«, erwidert Kleinschmidt, »wenn er Gelegenheit hat …«
Sie treten etwas beiseite. An der Art, wie sich Kleinschmidt vorsichtig sichernd umdreht, merkt der Zugführer, daß der Mann wieder auf sein Thema kommt.
»Hast du was … herausgebracht … wegen Haubach?«
»Ja«, antwortet Vonwegh, »aber ich habe keine Lust, meinen Kopf in die Schlinge zu stecken.«
»Und?« fährt ihn der rückfällige Einbrecher an.
Paul Vonwegh zuckt die Schultern. »Willst du dir die Finger verbrennen?« versetzt er und steuert den Mann behutsam.
»Hör mal gut zu«, entgegnet Kleinschmidt. »Ich weiß, daß du ein Einzelgänger bist …«
Der Zugführer wartet ab.
»Aber Haubach war mein Freund, mein Kumpel … Er hat einmal drei Jahre gesessen … ohne mich zu verpfeifen … Verstehst du?«
»Ja«, antwortet Vonwegh.
»Ich bin kein Dussel … Hab' auch keine Lust, hier den wilden Mann zu spielen … Aber dem Haubach bin ich was schuldig …«
»Du kannst nichts mehr ändern …«, schürt der Zugführer das Feuer.
»So?« fährt ihn Kleinschmidt gereizt an. »Wir gehen hier alle einmal drauf … Das ist meine feste Überzeugung.«
»Meine auch«, brummt der mittelgroße Zugführer mit dem straffen Gesicht gleichmütig.
»Aber meine Rechnung für Haubach mache ich noch glatt!« ruft der B-Soldat so laut, daß Vonwegh mit einem Rippenstoß seine Stimme dämpfen muß. »Weißt du was?« fragt er dann zum zweiten Mal.
»Gut …«, entgegnet Vonwegh, »er hat Aumeier ähnlich gesehen … verstehst du, dem Liebling Dirlewangers, dem Hausmetzger …«
Kleinschmidt starrt ihn an, ohne etwas zu begreifen.
»Aumeier hat was ausgefressen … ist aufgefallen … ganz oben … mußte erschossen werden …«
»Und?«
»Er heißt jetzt Haubach«, antwortet der Zugführer schlicht und wartet die Wirkung ab.
Der B-Soldat begreift. Er zittert vor Wut. Am liebsten würde er die MP nehmen und in Dirlewangers Datscha amoklaufen.
»Wenn du etwas machst … dann benutze gefälligst dein Hirn, du Idiot!«
»Was dann?« drängt Kleinschmidt ungeduldig.
»Überleg dir's«, bremst Vonwegh noch einmal.
»Meine Sache.«
Der Zugführer nickt. »Ich würde …«, beginnt er seine Ratschläge, die wie Befehle klingen.
Und Kleinschmidt, der Verbrecher mit dem menschlichen Zug, nimmt gierig Wort für Wort auf, folgt wie eine Marionette der Fernsteuerung seines Zugführers, und das heißt:
1. Nur dann Verbindung mit Oberst Prinz aufnehmen, wenn es keine Zeugen dafür gibt.
2. Nur sprechen, wenn der Offizier persönliche Schutzhaft garantiert und Kleinschmidt in seinem Hauptquartier als Zeugen in Sicherheit bringt.
3. Oberst Prinz überreden, den angeblichen Haubach im Russenlager II zu verhaften und zu überstellen.
»Wenn du die Reihenfolge verwechselst … bist du schon tot«, sagt Vonwegh abschließend. Weich setzt er hinzu: »Sei vorsichtig.«
»Verlass dich drauf«, antwortet Kleinschmidt.
Der B-Soldat entfernt sich langsam, sichert wieder im Gehen nach allen Seiten.
»Kleinschmidt«, ruft ihm der Zugführer nach.
Er kommt noch einmal zurück.
»Du bist ein feiner Hund«, sagt Vonwegh leise.
Der Mann wird rot vor Verlegenheit und geht fluchend weiter. Zuchthausdirektor hätte ich werden sollen oder Haftpsychologe, überlegt der Zugführer einen Moment verbittert.
Die Bombe tickt. Und wenn etwas schief geht, kann ich immer noch selbst aus dem Hintergrund hervortreten. Die Befriedigung, die ihn plötzlich durchpulst, ist berauschend. Er atmet tief, als hätten seine Lungen schwer an der frostklaren Luft zu arbeiten. Er spürt die Kälte nicht. Sein Haß ist barbarisch. Er muß es sein.
Er mußte es sein. Ein junges Mädchen hatte es nicht begriffen.
Karen mußte es eines Tages begreifen.
Paul Vonwegh setzt sich schwer auf einen Baumklotz, wie damals, nach seiner Flucht. Damals war es Herbst, heute ist es Winter. Damals saß sie neben ihm. Heute ist er allein. Und dieser Holzklotz, denkt der Mann, der Narr, der Realist, war an allem schuld, auf ihm saß ich, als ich ihr nachgab. Ihr zuliebe …
An der Art, wie Karen die Tür aufriss, wußte er damals, daß alles gut gegangen war. Sie war außer Atem, küsste ihn, hatte dann noch weniger Luft und konnte nicht sprechen. Seine Hände streichelten ihre Schläfen, wie sie es mochte. Vonwegh ging an das Fenster und sah hinaus. Nichts zu sehen. Keiner war ihr gefolgt. Sie lachte hell und
Weitere Kostenlose Bücher