bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)
freundlich. Sie lächelte mich an, als ob sie sich für diese von ihr verursachte Peinlichkeit entschuldigen wollte. Aber im Moment war ich zu aufgeregt um darüber nachzudenken. Sie teilte mir sofort einen freien Platz zu, und welch ein Glück, war dieser nur eine Reihe hinter Alex. Nachdem ich mich auf meinem Sessel setzte, die Schulbücher auf den Tisch packte und meinen Kugelschreiber bereit hielt, blickte ich starr auf meine Notizen. Ich wollte jeglichen Blickkontakt vermeiden, meine offensichtliche Blamage verbergen. Anders als an meiner alten Schule gab es hier Einzeltische. Ich war es gewohnt einen Sitznachbarn zu haben, war aber den ganzen Tag froh darüber, alleine sitzen zu können. Als die Stunde zu Ende war, holte mich Alex von meiner Schulbank ab und verließ mit mir das Klassenzimmer. Wir schlenderten zusammen nach draußen um nach Hause zu gehen.
„Und warum genau bist du in Philadelphia gelandet?“
„Oh, das ist eine etwas längere Geschichte“, versuchte ich mich herauszureden.
„Naja, ich hab`s nicht eilig.“ Seine sanfte Stimme klang vertrauenswürdig und er ließ nicht von seiner Frage ab. In Kurzform erzählte ich ihm den Ablauf meines Lebens und den Weg nach Philadelphia. Warum ich das tat, wusste ich nicht genau, ich wollte ihn nicht langweilen. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund schien er wirklich aufmerksam zuzuhören und Interesse zu haben. Es war mir schleierhaft, warum es mir nicht schwer fiel ihm meine Geschichte zu erzählen. Ich führte es auf die Tatsache zurück, dass ich froh war, endlich jemandem mein Herz auszuschütten zu können, egal wer es war. Als ich am Ende ankam, war es mir peinlich, da es hier vermutlich etliche Jugendliche mit denselben oder viel schlimmeren Familienhintergründen gab. Um von meiner Verlegenheit abzulenken, ging ich in die Offensive und lenkte die Aufmerksamkeit des Gesprächs auf ihn.
„Lebst du schon immer hier?“
„Ja, ich habe die Stadt nur verlassen, wenn meine Mutter mit mir Urlaub machte“, bemerkte er trocken.
„Und dein Vater?“
„Meinen Vater kenne ich nicht.“ Er sagte es so, als ob ihm die Tatsache, seinen Vater nicht zu kennen, nichts ausmachte.
„Oh, das tut mir leid“, murmelte ich leise. Falls es ihm doch unangenehm wäre, wollte ich nicht unpassend reagieren. Leider wusste ich nicht, wie man in so einer Situation richtig reagierte. Also so wenig wie möglich sagen.
In diesem Augenblick trafen wir auf Velisa und Jason draußen im Schulhof. Velisa plapperte drauf los und wir unterbrachen unsere Unterhaltung um ihr zuzuhören, welche neuen Gerüchte im Umlauf waren, wer mit wem Schluss machte und wer sich in wen verliebte. Damit ich folgen konnte, zeigte sie für mich auf die betreffenden Personen, wenn sie sich gerade in der Nähe befanden. Ich vergaß sofort alles, tat aber so, als ob ich alles verstanden hätte.
Auf dem Nachhauseweg verlief ich mich hoffnungslos, obwohl Carol mir eine detaillierte Wegbeschreibung mitgegeben hatte. Sie zeichnete Straßennamen, Kreuzungen, Bushaltestellen, Buslinie und diverse Anhaltspunkte, wie eine Kirche und eine auffällig gestrichene Fassade eines Ladens, auf einen Zettel. Dennoch schaffte ich es mich zu verlaufen, was mich nicht wunderte. Diese Hochhäuser, eng aneinandergereiht, glichen eines dem anderen. Jede Kreuzung war exakt wie die nächste. Es gab in dieser Gegend keine Bäume, Pflanzen oder Sträucher. Nur Betonhochhäuser, Fußgängerwege und Straßen. Asphalt und Beton so weit das Auge reichte.
Ich fühlte mich eingeengt zwischen den mächtigen Wänden um mich herum. Zu Hause, ich meine mein früheres zu Hause, gab es keine Hochhäuser, keine Wolkenkratzer. Nur Einfamilienhäuser mit großen oder kleineren hübsch angelegten und gepflegten Gärten. Man sah die schönsten Sonnenuntergänge – wenn sich das rosa, rot und zart-lila in der Natur, in den Wiesen und Bäumen spiegelte. Hier sah man nicht mal die Sonne. Dass sie weiterhin existierte konnte, man nur vermuten.
Schluss mit Trübsal blasen. Kein Wunder, dass ich mich verlief, ich träumte die ganze Zeit durch die Gegend. Träumte von einem Zuhause, welches es für mich nicht mehr gab. Eine Erinnerung von vielen. Ich musste mich zusammenreißen um endlich den richtigen Weg zu finden. Nachdem ich nicht mehr wusste, ob ich nach Süden, Norden, Osten oder Westen ging, rief ich Carol an und bat sie um Hilfe. Sie dirigierte mich per Telefon. Zu meinem Erstaunen bog ich gerade mal zwei Ecken ab und
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