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Bring mich heim

Bring mich heim

Titel: Bring mich heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Wagner
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okay sein. Nur nicht heute oder morgen. Eines Tages ... vielleicht.
    »Mia, hören Sie mich an.« Meine Augen fokussierten wieder auf den Therapeuten. »Bewegen Sie Ihre Finger. Kratzen Sie nicht weiter an Ihrer Narbe. Atmen Sie ruhig. Ein und wieder aus.« Er deutete mit seinen Armen hoch, wenn ich einatmen sollte, und runter, wenn ich die Luft loslassen musste. Mein Puls verlangsamte sich. Ich schaffte es, meine rechte Hand von der linken loszubekommen. Dr. Weiß zeigte mir, dass ich die Finger rühren sollte.
    »Machen Sie einfach mit. Auf und zu. Vergessen Sie dabei nicht das Atmen.«
    Ich atmete wieder normal. Das Gefühl, auf der Stelle zu platzen, verschwand. Josef lächelte mich zufrieden an. Seine Augen strahlten vor Freude. »Sehen Sie, das haben Sie sehr gut gemacht.« Ich gab ihm nur ein müdes Lächeln zurück. Wirklich sehr gut gemacht . So weit sollte es gar nicht erst kommen.
    »Was ist passiert? Wo waren Sie?« Mein Blick verfinsterte sich auf der Stelle. An den Auslöser zu denken, würde mich nur noch mal in diese Situation bringen. Ich war nicht so weit, über Ursachen zu sprechen. Vorerst musste ich wissen, wie man diese Attacken verhinderte. Mit dem Fuß fing ich nervös zu wippen an. Meine Lippen biss ich kräftig mit den Zähnen.
    »Mia«, ertönte Dr. Weiß‘ Stimme. »Atmen. Sie schaffen das. Erzählen Sie mir, was Sie dazu brachte, in diesen Zustand zu kommen. Atmen Sie dabei ruhig ein und wieder aus. Sie können das.«
    Ich kann das.
    Mit krächzender Stimme sagte ich: »Ich ... Ich ...«
    »Atmen«, erinnerte mich mein Psychotherapeut.
    »Es ist das ... das ... die Frage.« Ich atmete tief ein und aus. Und wartete, bevor ich weitersprach. Ich musste mich sammeln, damit nicht eine weitere Attacke passierte. Dr. Weiß geduldete sich in seinem Ledersessel.
    »Es ist das Okay«, sagte ich schnell. Es war draußen. Ich war noch da. Keine Panikattacke.
    »Sehr gut gemacht, Mia. Ich wusste, Sie können das.« Er schnaubte durch die Nase, lehnte sich nach vorne und stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab. »Ich würde gerne wissen, wieso.«
    »Wieso ...« Ich blies die Luft aus mir. »Wie oft könnten Sie eine Phrase hören, bis Ihnen das Kotzen kommt? Halten Sie es jeden Tag aus? Mehrfach? Ich nicht«, äußerte ich leise.
    Er sah mich nur fragend an. Zog die Augenbrauen zusammen. »Wie darf ich das verstehen?«
    »Es ist nichts okay. Okay?« Ich wurde lauter. »Jeden Tag muss ich mir das anhören. Nichts ist in Ordnung. Es wird nicht mehr. Verdammt noch mal sehen Sie mich an. Was soll daran okay sein? Abgemagert, eingefallen, beinahe keine Haare. Mein Körper ist eine Hülle«, schrie ich ihn an. »Eine leere Hülle«, fügte ich kaum vernehmbar hinzu. Er nickte mir zu, stand auf, setzte sich neben mich auf die Bank. Eine Hand legte er auf meine linke Schulter ab. Mehr Berührung ließ ich nicht zu. Aber diese war in Ordnung. Er tat es öfter. Er war nicht mehr fremd und mein Körper wusste, dass er mir nichts tun wollte. Je öfter ich mir dies vorsagte, umso besser wurde es.
    »Sie sind eine starke Person. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, Sie werden heilen. Sie werden leben. Alles wird gut.« Dr. Weiß klopfte mir sanft auf die Schulter. »Denken Sie daran, wie weit Sie bereits gekommen sind. Sie leben. Sie haben das Gröbste überstanden. Sie machen Fortschritte in der Therapie«, lächelte er mich an. Ich wusste nicht, ob ich darauf etwas sagen sollte. Somit sah ich einfach leer in sein Gesicht.
    »Sehen Sie, wie weit Sie gekommen sind, Mia. Denken Sie nicht daran, wie weit Sie noch gehen müssen. Ich weiß, Sie sind noch nicht, wo Sie sein wollen. Aber Sie sind auch nicht mehr dort, wo Sie waren.« Ein kleines Lächeln war meine Antwort.
    Ich war nicht okay. Aber ich würde es sein. Nicht heute, nicht morgen ... irgendwann .

Kapitel 11
    Mia – Beruhigende Augen
    Budapest, Juni 2012
    Es war alles okay.
    Er gab mir nur mein Buch zurück. Oder wollte es mir geben. Ich hasste es, wenn andere ohne Erlaubnis in diesem Skizzenbuch kramten. Das ging niemanden etwas an.
    Und dann berührten sich unsere Finger. Hauchzart. Die Berührung eines Mannes, aber mein Körper schaltete sofort auf Abwehrmodus. Es machte mich extrem hibbelig. Ich bemerkte bereits eine aufsteigende Panikattacke. Langsam atmete ich ein und aus. Meine Finger streckte und ballte ich. Diese verdammte Technik von Weiß half nicht wirklich, wie sie sollte. Es dauerte mir zu lange, bis ich mich entspannte. Wenigstens konnte

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