Bring mich heim
Augen. Ich öffnete sie und sah genau in das grelle Deckenlicht.
Mit kratziger Stimme murmelte ich: »Licht ... aus ... bitte.« Ich hörte meine Freundin aus der Entfernung lachen. Sie stand wohl wieder in der Küche.
»Nein, nein, kein Licht wird hier abgedreht. Es ist gleich 5:00 Uhr. Auf mit dir, Schlafmütze.« Kriszta war sogar nach nur zwei Stunden Schlaf viel zu gut gelaunt. Ich verstand es nicht. Vor allem nicht nach so viel Wein. Mein Kopf brummte.
»Komm schon, Mia. Ich will dich noch zum Bahnhof bringen. Muss aber um 6:30 Uhr auf der Arbeit beim Frühstücksdienst sein.«
»Gut, ich stehe ja auf«, ächzte ich leise.
»Braves Mädchen«, lächelte sie mich an. Ich schüttelte nur meinen Kopf. Aua ... zu viel Bewegung.
»Was?«, fragte sie. Ich ging die paar Schritte in die Küche, lehnte mich am Tresen an.
»Ich verstehe nicht, wie du nach zwei Stunden Schlaf so lebendig sein kannst«, versuchte ich während des Gähnens zu sagen. »Und sieh dich an. Keine Augenringe, makellose Haut und bereits perfekt gekleidet. Ich mein, du siehst wirklich viel zu gut aus für nur zwei Stunden, warte ich sag es noch mal, für nur zwei Stunden Schlaf.« Kriszta grinste von Ohr zu Ohr.
»Ja, das war ein Kompliment, da darfst du dich ruhig gut fühlen.« Sie schenkte eine Tasse Kaffee ein und reichte mir diese. Mit beiden Händen hielt ich das Häferl fest. Steckte meine Nase hinein, atmete den Duft von frisch gebrautem Espresso ein. »Ich mag übrigens dein Outfit. Steht dir verdammt gut diese zartrosa Shorts mit der beigefarbenen Bluse«, murmelte ich in mein braunes Heißgetränk.
»Danke. Aber jetzt komm, beeil dich. Trink schnell, anziehen und geht schon los.«
Noch immer müde kroch ich in Krisztas alten Toyota Starlet. Meinen Rucksack warf ich in der Mitte durch auf die Rücksitzbank. Ich schnallte mich an und machte es mir im Schneidersitz bequem.
»Das alte Ding lebt noch?«, fragte ich amüsiert.
»Hey ... sei nett zu ihr, sonst bringt sie dich nicht zum Bahnhof. Obwohl, wäre auch kein Problem. Ich würde dich gerne länger bei mir behalten.« Sie sah mich traurig an.
»Ich kann nicht bleiben, Kriszta«, sagte ich leise. »Auch wenn der gestrige Tag wirklich schön war. Ich fühle mich hier nicht wohl.« Aber wo tat ich das? Es machte so gut wie nichts mehr Freude.
»Ich weiß. Und ich möchte, dass es dir wieder gut geht. Mia, du bist noch immer du.« Sie hatte Hoffnung in mich. Sie sah mich an und wollte mir ihre Hand reichen. Jedoch wich ich aus. Ich schaffte das nicht. Gestern war ich mutig, vielleicht auch durch die paar Gläser Wein. An diesem Tag ging das nicht mehr.
In Richtung meiner Füße murmelte ich: »Sieh mich an.« Ich blickte zu ihr hoch. Sie sah mich mit ihren funkelnden Augen an. »Ich weiß nicht, wie ich so leben soll. Alles, das ich wollte, wurde mir genommen. Für mich ist das Leben ein Kampf.«
Kriszta atmete lange aus. Sie schüttelte ihren Kopf. »Nein ... so darfst du nicht denken. Freue dich an all dem, was du bereits geschafft hast.« Sie lächelte mich an. »Und du hast es geschafft. Du bist noch da. Denk daran«, sagte sie leise. Ich gab ihr darauf keine Antwort mehr. Drehte mich um und sah aus dem Fenster. Sie startete den Motor und fuhr Richtung Bahnhof.
Davor blieb sie auf einem Parkplatz stehen und stieg aus. Ich wartete einen kurzen Moment. Atmete tief ein und aus, schnappte mir den Rucksack. Vor der Beifahrertür stand bereits Kriszta.
»Ich kann nicht mit hinein. Leider muss ich gleich losfahren.« Ich nickte ihr zu. »Mia, ich weiß, du wirst wieder du. Du bist noch immer du. Ich hab es gestern erlebt. Ich hab dich gestern kurz lachen gesehen. Dein richtiges Lachen. Du schaffst das«, sagte sie leise.
»Danke«, sagte ich beinahe ohne Ton. Ich wusste nicht so recht, wie ich mit diesen Ermutigungen umgehen sollte. Das wusste ich auch nicht, wenn ich sie von Dr. Weiß bekam. Oder jemanden aus meiner Familie. Einerseits fühlte ich mich dadurch etwas besser, weil tatsächlich jemand an mich glaubte. Andererseits war die Angst des Versagens da. Was würde passieren, wenn ich nicht dorthin zurückfand? Wie lange konnte ich mich so noch zum Leben ermutigen? Wie lange würde ich noch leben?
Zittrig hob ich meine Hand, drehte sie nach oben und nickte Kriszta zu. Mein Herz raste wie wild, bevor ihre meine berührte. Sie hielt mich fest, sah mir dabei eine Ewigkeit in die Augen.
»Ich werde dich vermissen. Ich möchte nicht, dass unser Kontakt wieder abbricht.«
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