Bring mich heim
über Mia erfahren. Ich hatte beinahe das Gefühl, sie beschützen zu müssen. Sie sah so zerbrechlich, so verletzlich aus. Ihr gesamtes Verhalten machte mich wahnsinnig neugierig. Und stutzig.
Ich zog mich, nachdem ich noch eine Zeit lang einfach nur im Bett gelegen hatte, an. Viel Auswahl gab es ja nicht in diesem Rucksack. So genau hatte ich nicht hingesehen, als ich gestern in der Früh gepackt hatte. Ich schmiss mich in diese blauen, alten Jeans und das graue Shirt. Das tat es auch.
Mit vollem Magen und einem Becher Kaffee in der Hand schlenderte ich durch das Burgviertel. Sah mir die Fischerbastei an und ging wieder retour zum Burgpalast. Das Wetter war herrlich, darum sah ich mir alles nur von außen an. Es wäre viel zu Schade gewesen, eingesperrt hinter dicken Mauern zu sein, nur um eine Kirche von innen zu sehen. Im Prinzip sahen doch alle sehr ähnlich aus. Von außen konnte man ein Kunstwerk, wie diese Gebäude, besser begutachten. Vorbei an der Matthiaskirche spazierte ich über die Kettenbrücke hin zur Innenstadt. Ich war noch neugierig auf die Váci utca. Und vielleicht sollte ich mir dort etwas mehr Kleidung kaufen.
Die Einkaufstraße erinnerte mich stark an Wien. Ich fühlte mich gleich wohl. Nur kam es mir bei Weitem nicht so stressig vor.
Nachdem ich mich mit einem Burger versorgt hatte, spazierte ich langsam durch die Straße. Bis ich geschockt stehenblieb. Sie war auch hier. Einige Meter von mir entfernt stand sie gerade von einer Bank auf. Das musste sie sein. Sie hatte dieselbe Mütze auf, welche sie bereits im Zug getragen hatte.
»Mia«, rief ich. Doch sie reagierte nicht. Hektisch warf sie ihre graue Tasche über die Schulter und hastete eilig in meine Richtung. Das war meine Chance, sie aufzuhalten.
»Mia Lang«, sagte ich dieses Mal etwas leiser. Sie musste mich hören, wir waren nicht mehr weit voneinander entfernt.
Mit sturem Blick geradeaus ging sie mit hastigem Schritt weiter. Streifte meine Schulter und fing zu laufen an.
»Hey, warte doch«, schrie ich ihr nach. Ich schnallte mir den zweiten Bügel des Rucksackes um und rannte hinterher. Mann, sie war schnell.
»Hey, Mia, warte bitte.«
Sie lief noch schneller, rannte in eine enge Gasse. So schnell ich konnte, düste ich ihr nach. Jedoch war sie nicht mehr zu sehen, sie musste vorne bereits in eine andere Richtung gelaufen sein. An der Ecke blieb ich stehen und sah nach links und rechts. Aber sie war nirgendwo mehr zu erblicken.
Verdammt. Mit meiner rechten Hand schlug ich gegen einen Laternenmast. Ein weiteres Mal würde ich ja kaum so ein Glück haben, dass ich sie wiederfand.
Ich sollte einfach nicht länger an sie denken. Ich kannte sie ja doch nicht.
Kapitel 17
Mia – Eine wahre Freundin
Budapest, Juni 2012
Ich blieb den gesamten Abend bei Kriszta. Wir plauderten bis spät in die Nacht. Wie wir uns kennengelernt hatten und über alles, das wir erlebt hatten. Wir tranken Rotwein und kicherten irgendwann nur mehr vor uns hin. Es tat verdammt gut, so wahrhaftig zu lachen. Mit jemandem zu reden, der einem nicht schief ansah oder bemitleidete, weil man sichtlich krank wirkte. Das hatte mir gefehlt. Mir spannten meine Wangenmuskeln. Ich war es einfach nicht gewohnt, ein richtiges Lächeln im Gesicht zu haben. Nach noch weiteren Gläsern fühlte ich mich vollkommen wohl in Krisztas Gegenwart. Ich hatte den Mut, dass ich sogar die Mütze ablegte. Meine langjährige Freundin strahlte auch, rückte ein Stück näher und streckte ihren Arm aus. Sie sah mich mit ihren meerblauen Augen an und ich nickte zufrieden. Kriszta nahm meine Hand in ihre und drückte sie ganz fest.
»Ich bin unendlich stolz auf dich«, sagte sie leise.
»Danke«, flüsterte ich zurück, sah schüchtern herab.
»Aber deine Haare gehen gar nicht, Mia.« Ich riss meine Augen auf, blickte schockiert zu ihr. Sie presste ihre Lippen fest aneinander, bevor sie in lautes Gelächter ausbrach. Ich zog meinen Arm weg und verschränkte beide vor meinem Körper. Meine Augenbrauen zog ich zusammen. Mit finsterem Blick starrte ich sie an. Sie hörte einfach nicht auf. Schön, dass sie es erheiternd fand.
»Komm schon, das war ein Scherz«, sagte sie während des Kicherns. »Kurze Haare stehen dir gut.« Mein Gesicht entspannte sich etwas. Sie wischte sich die Lachtränen von ihren Wangen. Versuchte sich zu beruhigen, bis schließlich nur noch ein breites Grinsen zu sehen war.
»Im Ernst, Mia, sie stehen dir gut. Es sind alle nachgewachsen. Nichts mehr mit
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