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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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erwartungsvoll beobachteten. Fest ergriff er den Gockel und spürte das wilde Pochen des kleinen Herzens. Dann drehte er dem Tier den Kragen um und keuchte, als er fühlte , wie das Leben entwich. Heißes Blut spritzte über seine Hände.
    Im nächsten Augenblick wich der Ekel einem erschreckenden Anflug von Hunger. Dann lenkte die Priesterin seinen Arm, sodass des Vogels Blut auf den Altar troff. Seine eigenen Empfindungen verblassten angesichts des Herannahens des Gottes gleich dem Licht einer Kerze vor der Sonne.
    Argante sagte etwas, doch er verstand die Worte nicht. Er sah, wie Igraine den Arm ausstreckte, sah, wie sie den Griff des Schwertes umfasste. Argante legte die Hand über die ihrer Tochter; gemeinsam zogen sie die Klinge eine Handbreit weiter aus dem Stein. Ein weiterer Ruck, und das Schwert wurde wieder hineingestoßen. Dann ergriff die Priesterin seinen Arm und drückte seine vom Blut des Hahns rote Hand auf den Griff des Schwertes.
    »Ihr müsst den Griff drehen, wenn Ihr die Klinge herauszieht…«, erklangen ihre Worte wie aus weiter Ferne, »andernfalls rührt es sich nicht.« Ihre Hand schloss sich um die seine, doch er brauchte die Anweisungen nicht, denn das Blut seines Urururgroßvaters erwachte in ihm. Behutsam drehte er die Klinge und spürte, wie sie geschmeidig durch den Stein glitt.
    »Nicht zu weit«, mahnte ihn Argante. »Die Zeit, es zu ziehen, ist noch nicht gekommen.«
    Er starrte sie an und wusste, dass seine Augen weiß gerändert vor Anstrengung waren, nicht die Gewalt über sich zu verlieren. In seiner Seele begann eine Stimme zu sprechen, die lauter war als das Pochen seines Blutes.
    »Noch nicht, Mann des uralten Blutes. Du bist nicht der König, der diese Klinge schwingen soll, doch die Zeit wird kommen, da du ihm ermöglichen wirst, sie einzufordern. Heb die Augen, denn die, in deren Leib er empfangen wird, steht vor dir…«
    Ambros schaute auf, blinzelte, als hätte er in grelles Licht gestarrt, und erblickte Igraine. Ihr Antlitz leuchtete, ihr helles Haar ergoss sich um ihren Kopf wie ein goldener Schimmer, und in jenem Augenblick wirkte sie schöner, als die Vorstellungskraft eines Sterblichen es zuließ. Er sah sie an, und endlich begriff er, dass sie für ihn die Göttin war, dass was er für sie empfand Liebe war. Er wusste nicht, was sie hörte, doch sie streckte die Hand aus, legte sie auf den Knauf des Schwertes, und gemeinsam schoben sie die Klinge zurück in den Stein.
    Macht flackerte rings um sie her. Benommen versuchte Ambros, den Blick wieder auf Igraine zu richten, stattdessen aber sah er das Antlitz eines Knaben mit braunen Haaren, entschlossener Miene und Igraines blauen Augen.
     
    Die Vertragsgespräche fanden nahe eines Schreins nördlich von Sorbiodunum statt, am Rande der weitläufigen Ebene. Die Gegend galt, wie Ambros annahm, als neutrales Gebiet, da sie im Verlauf der letzten Jahre abwechselnd sowohl den Briten als auch den Sachsen gehört hatte. Die Sachsen hatten für das Treffen einen Unterschlupf errichtet – ein schlichtes Gebilde mit einem Rieddach, um den Regen abzuhalten. Zwischen den Pfosten konnte man über die letzten, schützenden Grassenken auf die schier unendliche Weite der Ebene hinausschauen. Es war ein leeres Land, in dem Erinnerungen an so alte Völker umherspukten, dass niemand mehr ihre Namen wusste. Vielleicht erklärte dies das Unbehagen, das Ambros seit Beginn des Treffens quälte.
    Sie hatten Rind- und Schweinefleisch geschmaust, eines Beutefahrers Mahl. Der üppige Geruch gebratenen Fleisches hing noch in der Luft. Nun aber war das Essen endlich vorüber. Die Trinkhörner würden ein paar Mal die Runde machen, damit die Männer auf den neuen Vertrag anstoßen konnten, danach sollte es vollbracht sein.
    Sie saßen an langen, auf Böcken stehenden Tischen, auf denen verschiedenste Kleidungsstücke verstreut lagen. Um das friedliche Wesen dieses Festes hervorzuheben, hatte Hengest den barbarischen Brauch verboten, bewaffnet zu einem Fest zu erscheinen und die Schwerter und Schilde hinter sich auf Mauerpfosten zu hängen. Dennoch wirkten die Sachsen wie Wilde. Seufzend besann Ambros sich des letzten Mals, als er mit dem Vor-Tigernus nach Sorbiodunum gereist war. Damals war er noch ein Kind gewesen. Sie hatten in einem der großen Häuser der Stadt gespeist, vom erlesenen Tafelgeschirr, das einst den römischen Friedensrichtern gehört hatte. Mittlerweile waren die Einzelstücke vermutlich über die halbe Armee der Sachsen

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