Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
verteilt.
    Genau genommen bestand sie gar nicht mehr ausschließlich aus Sachsen. Der Häuptling, der neben Amlodius saß, war Aelle, dessen Sachsen sich an den Küstenstreifen östlich von Noviomagus niedergelassen hatten. Hengest selbst hingegen hatte Cantium mit Juten und Friesen bevölkert. Auch Franken waren da, und andere, deren Namen Ambros nicht kannte. Die Raben, die sich am Kadaver Britanniens weideten, kamen von einem halben Dutzend nördlicher Stämme; je einer saß neben einem der britannischen Vertreter.
    Angewidert schob Ambros das Fleisch auf seinem Teller beiseite. Ach, Vortimer, dachte er, wir hätten deinen letzten Wunsch beherzigen und dich an der Ostküste beisetzen sollen. Dann hätte uns dein Geist vielleicht vor diesem Tag bewahrt…
    Neben ihm saß Godwulf, der ihn einst die Überlieferungen der Heruler gelehrt hatte. Es war schon immer schwierig gewesen, den sächsischen Thylen zu durchschauen, heute Nacht aber wirkte er undurchdringlich wie der Hadrianswall. Schon in den Tagen, als er noch für Vitalinus die Runen geworfen hatte, war er Ambros als alter Mann erschienen. Mittlerweile musste Godwulf über achtzig sein, ein wahrhaft bemerkenswertes Alter.
    »Wie ich sehe, erfreut Ihr Euch bester Gesundheit. Eure Götter meinen es gut mit Euch«, stellte Ambros höflich fest.
    Godwulf lächelte. Ihm fehlten einige Zähne, folglich konnte er sein Essen nur fein gehackt zu sich nehmen. Außerdem ließ es ihn noch düsterer erscheinen, als Ambros ihn in Erinnerung hatte.
    »So ist es«, pflichtete ihm der greise Mann bei. »Woden verhilft in den Schlachten des Geistes ebenso zum Sieg wie in jenen des Körpers, und er mag dieses Land. Ihr solltet ihm ein Opfer darbringen.«
    Ambros zog eine Augenbraue hoch. So mächtig der Gott auch sein mochte, seine Hilfe hatte seinem Volk lediglich einen Fuß in der Tür Britanniens verschafft.
    »Ihr opfert Eurem Dämon, ich verehre den meinen«, entgegnete er süßsauer, denn die christlichen Priester betrachteten die heidnischen Götter und den Geist, der zu Ambros sprach, gleichermaßen als Teufel.
    Den Geist, der früher zu ihm sprach. Mittlerweile befehligte er Geister, anstatt zu ihnen zu beten. Er versuchte, sich zu besinnen, wie lange es her sein mochte, seit seine innere Stimme zuletzt erklungen war.
    »Wenn unterschiedliche Völker in Frieden miteinander leben sollen, dann müssen auch ihre Götter Frieden schließen«, erwiderte Godwulf ungerührt. »So war es, als Woden und die Asengötter mit den Wanen rangen. Keine Seite konnte gewinnen, folglich haben sie sich verbündet.«
    »Wollt Ihr Lugos eine Augenklappe umbinden und ihn Woden-Lugos nennen, so wie die Römer Mars-Belutacadros und viele andere verehrten und verkündeten, all die Gottheiten der Völker, die sie eroberten, seien lediglich Abbilder ihrer eigenen? Sie sind nicht ein und dieselben!«
    »Euer Lugos ist nicht Woden, nicht so wie wir ihn betrachten, obwohl beide einen heiligen Speer tragen«, pflichtete der Thyle ihm bei, »dennoch gibt es einen Ort, wo sie sich begegnen. Wer dorthin gelangt, versteht, wie verschiedene Völker zu einem einzigen verschmelzen können.«
    »Ist Hengest ein solcher Mann?«, fragte Ambros und schaute zum Hochtisch. Der Anführer der Sachsen saß neben Vitalinus wie ein alter, zernarbter und ausgezehrter Hengst, der über einem grauen Fuchs aufragt. Zwar lümmelte er sich gemütlich auf dem Sitz, doch seine Augen waren wachsam wie die eines Mannes, der den Beginn einer Schlacht erwartet. Er wirkte keineswegs wie jemand, der erleichtert über das Ende eines Krieges seufzt. Abermals überkam Ambros jenes leise Prickeln des Unbehagens.
    »Hengest liebt dieses Land…«, meinte Godwulf zweideutig.
    »Wird er den Vertrag einhalten, nun da wir ihm gegeben haben, was er wollte?«
    »Er wird sich an die Eide halten, die er auf den geheiligten Ring schwört.« Der Thyle berührte den silbernen, mit Runen überzogenen Armreif, den er trug.
    Ambros nickte. Es waren Schwüre, keine auf Pergament geschriebene Worte, die den Sachsen binden würden.
    Ein Diener trug den Metkrug an den Bänken vorbei und füllte Ambros’ Becher auf. Für gewöhnlich trank er wenig, doch die Anspannung dieses langen Krieges hatte ihm tiefer in den Knochen gesessen, als ihm bewusst war, und Trinken verschaffte Erleichterung. Er betrachtete die anderen britannischen Fürsten und stellte fest, dass es sich bei ihnen ebenso verhielt. Die Gesichter wurden zunehmend rot, die Stimmen zunehmend

Weitere Kostenlose Bücher