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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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laut; Gelächter erfüllte die Luft. Auch die Sachsen lachten mit vor Aufregung leuchtenden Augen, aber sie waren ausschweifende Trinkgelage gewöhnt. Tatsächlich hielten sie sich an jenem Abend bemerkenswert zurück, so als fürchteten sie, sich zu blamieren.
    Die Platten voll gebratenem Fleisch und das nicht zusammenpassende Geschirr wurden abgeräumt. Spielte der Umstand, dass nichts zueinander passte, für Sachsen überhaupt eine Rolle? Ambros dachte an einen sächsischen Krieger, den er einst aus einem brennenden Dorf hatte kommen sehen. Der Mann hatte einen römischen Helm und das Kleid einer Frau getragen. Vielleicht gefiel ihnen die Abwechslung. Vielleicht waren sie von Natur aus andersartig… Ihm wurde bewusst, dass der Met ihm zu Kopf stieg; er stellte den Becher ab.
    »Das ist guter Met«, sagte Godwulf.
    »In der Tat, aber warnen nicht eure eigenen Sänger davor, sich von der Elster der Unachtsamkeit die Sinne rauben zu lassen?«
    »Ihr zeigt Euch, wie immer, weise«, erwiderte Godwulf mit einem seltsamen Lächeln. Er drehte sich herum und erhob sich von der Bank. Am Hochtisch war Vitalinus aufgestanden und hatte sich jenem Mann zugewandt, der einst sein bedeutendster Diener, danach sein ärgster Feind gewesen war. Hinter ihm stand ein Priester, der einen Reliquienschrein hielt. Nach und nach breitete sich Gemurmel in der Menge aus.
    Der Vor-Tigernus legte eine Hand auf die Truhe. Er wirkte verkniffen, aber entschlossen, wie es sich für einen Mann geziemte, der kurz davor stand, der Hälfte seines Heimatlandes abzuschwören.
    »Wir haben ebenso verbissen gearbeitet, um diesen Vertrag auszuhandeln, wie wir auf dem Schlachtfeld gekämpft haben«, begann er. »Und verbissener noch, denn unser Ziel war nicht Sieg, sondern eine Einigung, die für beide Seiten gerecht sein sollte. Die Einzelheiten sind niedergeschrieben, doch das schwöre ich nun: dass die einstigen Länder der Iceni und Cantii den Sachsen und Angeln gehören sollen, die jetzt dort leben, ebenso alle anderen, kleineren Gebiete, die im Vertrag genannt sind. Ich gelobe, dass mein Volk ihre Eigenständigkeit achten und ihre Grenzen anerkennen wird. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Damit bekreuzigte er sich, eine Geste, die ihm die meisten der britannischen Fürsten gleichtaten.
    Godwulf zog den Schwurring vom Arm und streckte ihn Hengest entgegen.
    »Auf den Ring Thunors und im Namen Wodens schwöre ich – dieses Land, was wir eingenommen haben, werden wir halten – und so viel mehr, wie die Götter uns in die Hände geben!«
    Er ließ von dem Armreif ab, drehte sich um und streckte die Hände Vitalinus entgegen, als wollte er ihn umarmen. »Nemet iure saks!«, rief er.
    Vitalinus wich zurück, doch mit einem einzigen Schritt zog ihn der Sachse in eine bärengleiche Umarmung und drängte ihn vom Hochtisch zurück ans Ende des Raumes.
    Ambros, der die beiden verblüfft beobachtete, erspähte die erste Bewegung nur aus dem Augenwinkel. Dann brüllte jemand. Stahl blitzte im Licht der Fackeln auf – ein Dolch, obschon laut Vereinbarung alle Männer unbewaffnet zum Fest erscheinen sollten. Coelius von Eboracum und drei weitere Fürsten lagen bereits ausgestreckt im eigenen Blut. Aber es ging nicht ganz nach dem Willen der Sachsen. Diejenigen, die nicht im ersten Augenblick gefallen waren, rangen noch mit denen, die zufällig oder absichtlich neben sie gesetzt worden waren, mit denen sie Fleisch und Met geteilt hatten. Sie verwandelten ihre Trinkhörner in Wurfgeschosse oder schwangen mit Bänken um sich. Eldol von Glevum hatte einen Zeltpfosten aus dem Boden gezogen und verwendete ihn als Knüppel.
    Ambros folgte seinem Beispiel, zerrte einen Pfosten aus der Erde und hielt auf die nächstbesten Sachsen zu, doch Godwulf fing ihn ab. Als Ambros ausholte, zog der Thyle einen kurzen Stab aus dem Gürtel und zeichnete flink ein paar Symbole in die Luft.
    »Is…« Mit rhythmisch dröhnender Stimme hauchte der Thyle die Silben der Bannbeschwörung. »Nyd…«
    Ambros fühlte, wie die Luft sich um ihn verfestigte; er konnte sich zwar noch bewegen, aber zu langsam, viel zu langsam, wie jemand, der sich durch einen heftigen Sturm kämpft.
    Warum tötet er mich nicht? Ambros’ Verstand raste. Zauderte der greise Mann, jemanden zu töten, der einst sein Schüler gewesen war? Oder fehlte ihm die Kraft dazu? Bei dem Gedanken beschwor Ambros seine eigenen Kräfte, sog sie aus der Erde und der Luft, wie Mogantius es ihn gelehrt

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