Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
hatte, und sie vereinten sich in seiner Brust, entfachten ein Feuer, das durch jedes Glied zuckte.
Kurz darauf konnte er sich wieder bewegen, doch schon nach jenen wenigen Augenblicken kam seine Hilfe für die britannischen Fürsten zu spät. Überall um ihn herum lagen Männer, entweder schweigend und tot oder stöhnend, während ihre Häscher keuchend über ihnen thronten und noch die bluttriefenden Dolche hielten, die sie unter den Beinkleidern verborgen mitgebracht hatten, als sie das Zelt betraten.
Ambros zwang die steifen Glieder, ihn zu Amlodius zu tragen. Der Gemahl seiner Tante atmete zwar noch, doch das Leben strömte durch zahlreiche Wunden aus ihm; mit jedem Atemstoß bildete sich blutiger Schaum vor seinem Mund. Ein tiergleicher Laut der Bestürzung drang über Ambros’ Lippen, als er sich über ihn beugte und den Umhang des älteren Mannes auf dessen schlimmste Wunden presste.
»Zwecklos…« Das Flüstern war beinahe zu schwach, um es zu verstehen. »Sag Argante… Caidiau soll herrschen… in Lugu – «
Sofern Amlodius das Wort vollendete, war es zu leise, als dass Ambros es hören konnte. Sein Blick erstarrte, das Lebenslicht verblasste wie eine sterbende Flamme und verlosch.
Behutsam nahm Ambros den Leichnam des alten Mannes auf die Arme und erhob sich. Die Luft knisterte vor den Geistern, die vor ihrer Zeit dem Fleisch entrissen worden waren, das sie behaust hatte; in seinen Ohren stimmten sie ein Gebrüll an, das alles andere übertönte. Wohin sein Blick fiel, zuckten die Männer zusammen, doch die geringeren Schergen kümmerten ihn nicht, selbst Aelle nicht. Es war Hengest, den seine Augen suchten, Hengest, der wie eine Gottheit der Mordlust inmitten des Gemetzels stand. Vitalinus, dessen Arme ein grinsender Krieger festhielt, stand neben ihm, weinte und brüllte Worte, die Ambros nicht hören konnte.
Ambros holte tief Luft; Godwulf hob mit sich weitenden Augen den Stab und begann, Schutzrunen in die Luft zu zeichnen. Doch die Magie des Thylen vermochte Ambros nicht mehr zu bannen. Er öffnete den Mund und spie die Worte aus, die zu sprechen all jene heulenden Geister keinen Atem mehr hatten »Im Namen der Götter Britanniens und mit der Macht aller Geister dieses Landes verfluche ich euch!« Macht durchzuckte ihn, und er fühlte das Herannahen der Erscheinung, die er gespürt hatte, als Argante ihm das Schwert zeigte. Dies war nicht die sanftmütige Weisheit seines daimon, sondern eine Macht, die seine Aura noch über seine eigene, gewaltige Größe hinweg ausdehnte.
»Hört mich an, Männer des Waldes und der Sumpfländer, und hör mich an, du, der du sie anführst.« Die Stimme des Gottes donnerte durch das Zelt. »So wie du dein Wort gebrochen hast, so sollst auch du von denen verraten werden, denen du vertraust. So wie du dir die Herrschaft über dieses Land erschlichen hast, wird die Herrschaft über die Völker, die du hergebracht hast, einem anderen übertragen werden! Du hast die Blüte Britanniens gemetzelt, doch aus ihren Wurzeln wird eine Kraft entstehen, die sich dir entgegenstellt. Ich werde einen Verteidiger erschaffen, und er wird ein Schwert aus Feuer auf dich herniederfahren lassen!«
Ambros hörte die eigenen Worte nicht, Hengest hingegen sehr wohl. Doch sofern ein Teil der Siegesfreude aus seinem Antlitz wich, wurde er von störrischem Stolz ersetzt, der weder verteidigen noch leugnen würde, was er getan hatte.
Der Krieger, der Vitalinus festgehalten hatte, ließ ihn los, und der alte Mann sank heulend auf den Boden, ein Toter, der sich noch bewegte und atmete. Ambros fragte sich, ob der Gott auch ihn verfluchen würde, doch es schien sinnlos; der Mann, der einst Vor-Tigernus gewesen war, hatte sich selbst zerstört; der Weiße Drache hatte den Roten zerfetzt, wie Ambros selbst es vor langer Zeit vorhergesagt hatte. Allein sein Name würde ein Fluch sein, solange Britannien bestand.
Ambros taumelte, als die Macht des Gottes ihn zu verlassen begann, doch ihm blieb genug Kraft, um den Leichnam seines Anverwandten zur Tür zu tragen, und niemand versuchte, ihm den Weg zu versperren.
»Ambros, was ist geschehen? Man hat mir gesagt, du wärst zum See gekommen, nicht jedoch weshalb. Ist mein Gemahl – «
Argantes forsche Begrüßung verstummte. Etwas in Ambros’ Zügen musste die Botschaft vermittelt haben, für die er noch keine Worte fand.
»Ihr habt die Neuigkeiten nicht gehört?«, fragte er heiser.
»Weder Feinde noch Kunde von ihnen finden ohne meinen
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