Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
auf Pferden, die mit dem Meer vertraut waren und nicht scheuen würden, wenn die Schlacht sie in die Untiefen der Flussmündung drängte. Und in der Mitte hatte Peredur von Eboracum den Befehl, gestützt von der Gruppe alemannischer Krieger seiner Hausgarde.
Bediver hatte schon an Schlachten gegen die Sachsen teilgenommen, in denen die Stärke der Reiterei eingesetzt wurde, um die feindliche Linie zu durchbrechen. Gegen eine andere Reiterei hatte er noch nie gekämpft. Artor ebenso wenig, dachte er unglücklich. Sie alle hatten Übungskämpfe hinter sich, aber das war eine richtige Schlacht.
Jedes Mal, wenn er auf den Beginn einer Schlacht wartete, hoffte er, dass er diesmal lernen würde, sich nicht zu fürchten. Der Knabe Gwalchmai, der auf einem Pferd hinter dem seines Vaters saß, beobachtete die Straße mit kaum verhohlener Ungeduld. Aber schließlich wusste er nicht, was auf ihn zukommen würde. Artors Antlitz zeigte sich wie immer ein wenig blass, mit wachem, ernstem Blick. Bediver hatte noch nie zu fragen gewagt, ob auch er Furcht verspürte.
Würden die Pikten denn nie kommen?
Und dann, von einem Augenblick zum nächsten, veränderte sich der Horizont. Plötzlich waren nicht nur die Straße, sondern auch die Weiden und ferner gelegenen Hügel übersät mit sich bewegenden Punkten. Metall funkelte und gleißte im wässrigen Licht der Sonne. Die Pikten schienen nicht überrascht zu sein, dass die britische Streitmacht sie erwartete; gewiss hatten sie Kundschafter ausgesandt, und Bediver wusste aus Berichten, dass ein piktischer Kundschafter sich hinter einem Busch Heidekraut verbergen und den Flug einer Möwe im Wind verfolgen konnte.
Sein Herz pochte rasend. Die Punkte wurden zu Männern auf struppigen Ponys. Die meisten Briten trugen volle Rüstung – Kettenhemden, Lederschuppen, Metall oder Horn, zudem Helme. Die Pikten hingegen ritten auf festgezurrten Satteldecken, und nur wenige von ihnen hatten Helme. Viele trugen nicht mehr am Leib als einen Umhang oder ein Schaffell über der Hose. Aus der Ferne wirkte ihre Haut, auf die in Spiralform Tiere tätowiert waren, blau. Zum Schutz trugen sie feste runde oder rechteckige, mit Stierhaut überzogene Schilde, lange Speere und gefährlich wirkende Schwerter. Sie schienen sich ohne jede Ordnung zu nähern, doch hie und da trug ein Reiter eine Holzstandarte mit einem aufgemalten Fisch, Stier oder anderem Tier, woraus Bediver schloss, dass sie in Sippenverbänden ritten.
Hörner dröhnten höhnisch, und der blecherne Klang aus Artors Fanfaren antwortete. In die britische Linie kam Bewegung. Bediver ergriff die Zügel; die Stute schüttelte den Kopf und zerrte am Beißstück. Abermals schmetterten die Fanfaren, und nun setzte sich Artors Reiterei in Bewegung und schwärmte aus, um die Flanken der Feinde anzugreifen und sie in die wartenden Speere der Fußsoldaten zu treiben. Weiter vorne sah er ein größeres Banner mit dem Bildnis eines prächtig gearbeiteten, roten Hengstes.
»Artor und Britannien!«, brüllten die Männer. »Artor… Artor…«
Der Schrei entriss sich Bedivers Kehle. Er ließ die Zügel auf den Hals der Stute sinken und rückte den Schild zurecht. Sein Pferd rannte neben all den anderen, und er brauchte es nicht führen. Er hob den Arm und brachte die Lanze in Anschlag.
Und dann waren die feindlichen Reiter vor ihm. Eine Lanze flog auf ihn zu, die er mit dem Schild abwehrte, dann stieß er zu, er traf und stemmte sich heftig mit den Knien gegen die Brust des Pferdes, als er die Waffe wieder herauszog.
»Ar… tor…«
Alle Gedanken und damit auch die Furcht verließen Bediver, als er von der Schlacht aufgesogen wurde.
Am Nachmittag war die Schlacht vorüber. Oesc war froh, wieder auf sein Pony steigen zu können, denn was noch an jenem Morgen eine schöne Weide gewesen war, glich nun einem zertrampelten Ödland, und Blut floss in Strömen in das gerötete Meer. Er hatte den Kampf überstanden, ohne größeren Schaden zu nehmen, nur an seinem Oberschenkel klaffte eine Schnittwunde, die ihm beim Gehen Schmerzen bereitete. Das Pony schnaubte unruhig, während er es über das Schlachtfeld zurückführte. Wann immer er auf einen britischen Überlebenden stieß, rief Oesc einen der Karren herbei, die die Verletzten einsammelten, und die schwer verwundeten Feinde erlöste er mit einem Gnadenstoß seines Speeres.
Die flüchtenden Überlebenden der Armee von Naitan Morbet waren mittlerweile außer Sicht, dicht gefolgt von Artors Reiterei.
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